Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLIX

Verfahren Nr.920 - 924 (2002 - 2012), 880 (Erratum), 950 - 959 (1945 - 1960; Nachtragsverfahren)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.924 LG München II 12.05.2011 JuNSV Bd.XLIX S.227

 

Lfd.Nr.924    LG München II    12.05.2011    JuNSV Bd.XLIX S.340

 

anschliessend in das Kriegsgefangenenlager Rowno verbracht worden sei, wo etwa im Juli 1942 deutsche SS-Offiziere einige Kriegsgefangene zur Tätigkeit in Trawniki ausgewählt hätten. Dort seien die Wachmänner formell registriert worden, wobei er, Litwinenko, die Nummer 1762 erhalten habe. Nach der Ausbildung, die Litwinenko im Einzelnen schilderte, sei er etwa im September 1942 zusammen mit Nag. und weiteren namentlich benannten Wachmännern bis Mai 1943 an das Lubliner SS-Wachkommando zur Bewachung von KZ-Häftlingen abkommandiert gewesen. Während dieser Zeit habe es auch einmal eine Strafaktion der SS in einem kleinen Dorf gegeben, an der ebenfalls namentlich benannte Wachmänner teilgenommen hätten. Im Mai 1943 sei er zusammen mit anderen Wachmännern aus Lublin nach L'vov (Lemberg) zur Bewachung eines Lagers gekommen, wobei er auch hier einzelne andere Wachmänner namentlich bezeichnete. Am 1.Oktober 1943 sei er mit einer Gruppe von Wachmännern aus Trawniki in die Stadt Flossenbürg versetzt worden, wo er bis zum Frühjahr 1944 KZ-Häftlinge bewacht habe.

 

Während sich eine gemeinsame Abordnung Litwinenkos mit dem Angeklagten nach Lublin Ende 1942 / Anfang 1943 mit der den Angeklagten betreffenden Mitteilung vom 20.Januar 1943 über eine Meldung der Schutzhundestaffel gut in Einklang bringen lässt, besteht hinsichtlich der Erwähnung Demjanjuks als Wachmannkollege in L'vov (Lemberg) ab Mai 1943 eine Diskrepanz zu den übrigen Erkenntnissen über eine Abordnung des Angeklagten nach Sobibor Ende März 1943. Insofern fällt jedoch auf, dass Litwinenko bei seinen ausführlichen Angaben in zwei Vernehmungen Anfang 1969 zahlreiche Wachmänner, die er auch teilweise bereits 1949 namentlich benannt hatte, im Zusammenhang mit seinem Dienst in L'vov wieder benennt, den Namen des Angeklagten jedoch nicht mehr erwähnt. Dies spricht dafür, dass Litwinenko die Person des Angeklagten bei der namentlichen Erwähnung 1949 zumindest nicht derart präsent war, dass dessen Zuordnung auf jeden Fall fehlerfrei erfolgt ist. 1949 wurde ersichtlich in erster Linie eine Namensauflistung von namentlich bekannten Wachmännern abgefragt, ohne dass es insoweit zu detaillierten Tätigkeitsberichten gekommen wäre.

 

Hingegen stehen die Angaben Litwinenkos zu seiner Registrierung unter der genannten Dienstnummer und seiner Abkommandierung nach Flossenbürg am 1.Oktober 1943 in Einklang mit den hierzu vorhandenen Dokumenten, insbesondere der Vernehmungsniederschrift aus Februar 1945 (siehe oben) und dem Eintrag in dem Waffenbuch des Konzentrationslagers Flossenbürg unter dem 08.10.1943 sowie dem Eintrag Litwinenkos auf der "Übergabeverhandlung" vom 1.Oktober 1943. Hierzu stimmig ist ferner auch, dass Litwinenko den Wachmann Nag. als Person angibt, mit der er in Flossenbürg war.

 

In einer Gesamtschau der Vernehmungen untereinander und im Kontext mit den weiteren Aussagen von Zeugen und den übrigen Beweisdokumenten ergibt sich aus diesen Angaben im Ergebnis kein Zweifel an den Feststellungen über die Tätigkeit des Angeklagten im Vernichtungslager Sobibor.

 

e) Karpo Nag.

 

Karpo Nag., geboren am 11.Januar 1917, wurde in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen 179.

 

Zu seinem eigenen Werdegang gab er an, dass er im polnischen Chelm in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten und nach etwa einem halben Jahr nach Trawniki zur Ausbildung verbracht worden sei. Er sei dann zur Bewachung einer Flugzeugfabrik nach Rostock abgestellt gewesen. Nach einiger Zeit sei er wieder nach Trawniki zurückgekehrt und von dort

 

179 Zur Aussage Nag.s siehe schon oben C III 2 c aa Seite 273 f.