Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLIX

Verfahren Nr.920 - 924 (2002 - 2012), 880 (Erratum), 950 - 959 (1945 - 1960; Nachtragsverfahren)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.924 LG München II 12.05.2011 JuNSV Bd.XLIX S.227

 

Lfd.Nr.924    LG München II    12.05.2011    JuNSV Bd.XLIX S.336

 

Während Daniltschenko in den Vernehmungen aus den Jahren 1949 und auch noch im Jahr 1979 seinen Aufenthalt in Sobibor mit etwa einem Jahr angab und die Versetzung nach Flossenbürg auf etwa März 1944 datierte, gab er zuletzt in der Vernehmung aus dem Jahr 1985 an, dass die Abkommandierung von Sobibor Ende 1943 / Anfang 1944 stattgefunden habe, jedenfalls aber noch vor dem Häftlingsaufstand, von dem er damals nichts mitbekommen habe. Da sich der Häftlingsaufstand historisch gesichert am 14.Oktober 1943 vollzog, bestehen im Hinblick auf die "Übergabeverhandlung" vom 1.Oktober 1943 und die auch im Übrigen mit den Schilderungen Daniltschenkos übereinstimmenden Urkunden, auf denen seine Personendaten einschliesslich seiner Dienstnummer 1016, die er ebenfalls in einer Vernehmung aus dem März 1949 bestätigte, angegeben sind, keine Zweifel daran, dass er sich hinsichtlich des Zeitpunkts seiner Verlegung nach Flossenbürg geirrt hat, ohne dass sich hieraus ableiten liesse, dass die übrigen Angaben Daniltschenkos nicht tragfähig seien. Dies gilt umso mehr, als er bereits 1949 und dann erneut 1979 den Ablauf der Judenvernichtung im Vernichtungslager Sobibor einschliesslich der Lagerorganisation und der Aufgabenverteilung ausführlich und detailliert schildert und diese Schilderungen in allen Einzelheiten in Einklang stehen mit den Angaben anderer Zeitzeugen und den Darlegungen des Sachverständigen Dr. P.

 

In der Vernehmung vom 2.März 1949 benannte Daniltschenko auf die Frage nach Personen, die zusammen mit ihm in Trawniki ausgebildet worden seien und sodann zusammen mit ihm bei der SS gedient hätten, insgesamt zehn Namen von anderen Wachmännern, deren Tätigkeit und Einsatzgebiet er jeweils zusammenfassend beschrieb. Hierbei nannte er unter der laufenden Nummer 4 "Demjanjuk Iwan", einen Ukrainer, angeblich geboren 1923. Er habe Iwan Demjanjuk zum ersten Mal im März 1943 getroffen und kennengelernt und zwar im "Todeslager Sobibor", wo Demjanjuk als Wachmann bei der SS gedient habe. Demjanjuk habe die Uniform der deutschen Waffen-SS getragen, er sei mit einer Waffe ausgestattet gewesen. Demjanjuk habe sich als SS-Wachmann an der Massenvernichtung von jüdischen Zivilisten im Lager Sobibor beteiligt und diese bewacht, um jede Möglichkeit einer Flucht vor der Vernichtung auszuräumen. Er habe sie auch als Wachmann zu den Gaskammern begleitet. Im Frühling 1944 seien Demjanjuk und er, Daniltschenko, nach Flossenbürg und später nach Regensburg geschickt worden. Im April 1945 hätten sie gemeinsam Gefangene von einem Konzentrationslager in der Stadt Regensburg Richtung Nürnberg begleitet, wobei er, Daniltschenko, geflüchtet sei, während Demjanjuk seinen Dienst fortgesetzt habe.

 

Daniltschenko beschrieb Demjanjuk als hochgewachsen, kräftig gebaut, mit hellem Haar. An seinem linken Arm oberhalb des Ellenbogens auf der Innenseite habe Demjanjuk eine Tätowierung, die Blutgruppe, gehabt, welche von den Deutschen in Flossenbürg gemacht worden sei.

 

Als weitere ihm bekannte Wachmänner, die ebenfalls mit ihm in Sobibor und überwiegend später auch in Flossenbürg zusammen gewesen seien, benannte Daniltschenko unter anderem "Pjotr Rodenko" mit dem ungefähren Geburtsjahr 1919/1920, "Iwan Homenko", geboren 1921 im Bezirk Dnjepropetrowsk, "Nikolai Medewiev" mit dem ungefähren Geburtsjahr 1922/1923, "Iwan Iwchenko" mit einem Geburtsjahr "ca. 1914 bis 1916" und einen Wachmann mit Nachnamen Chichawin mit einem Geburtsjahr um 1916. In einer weiteren Vernehmung am 16.März 1949 nannte Daniltschenko als weitere ihm bekannte Wachmänner unter anderem Iwan Juchnowskij mit dem Geburtsjahr 1913.

 

Die von Daniltschenko genannten Namen finden sich - teilweise in abweichender Schreibweise, jedoch phonetisch im Wesentlichen gleichlautend - auf den beiden "Übergabeverhandlungen" vom 26.März 1943 und 1.Oktober 1943 wieder: