Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXIV

Verfahren Nr.732 - 746 (1970 - 1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.735a LG München I 18.06.1970 JuNSV Bd.XXXIV S.331

 

Lfd.Nr.735a    LG München I    18.06.1970    JuNSV Bd.XXXIV S.336

 

dass diese drei Leute nunmehr erschossen worden seien und wenn noch jemand fliehe, noch mehr getötet würden.

 

Der Angeklagte Unt. ist ein einfacher Mann mit geringem Intelligenzgrad. Seine Kritikfähigkeit ist wenig ausgeprägt. Er ist leicht beeinflussbar und geht den Weg des geringsten Widerstandes. Diese seine Veranlagung brachte ihn auch dazu, nachdem er arbeitslos geworden war, ohne viel zu fragen 1929 der NSDAP und SS beizutreten. Er nahm die von den NS-Machthabern gelehrte Ideologie kritiklos auf und wurde alsbald ein williger Gefolgsmann. Sein Bestreben war es, den Leuten, die ihm "Arbeit und Brot" verschafft hatten, treu zu dienen und ihnen von Nutzen zu sein. Die politischen Parolen der NS-Gewalthaber genügten bei diesem einfachen Menschen, eventuelle Bedenken an deren Massnahmen zu unterdrücken. Es war das Wesen des Angeklagten, dass die von ihm durchgeführten Handlungen nicht seinem Eigeninteresse entsprangen, sondern in dem Bestreben erfolgten, den nationalsozialistischen Führern bei der Ausführung ihrer Pläne behilflich zu sein. In dieser Einstellung erteilte Unt. auch den Befehl, die drei jüdischen Häftlinge zu erschiessen. Der Angeklagte, der bereits seit dem Jahre 1934 mit politischen Häftlingen zu tun hatte, wusste wie die NS-Machthaber ihre politischen Gegner behandelten. Ihm war aus eigener Anschauung und aus der ständigen Hetzpropaganda bekannt, dass die Juden zu den "potentiellen Gegnern" des Regimes zählten. Er hatte sich im Laufe der Zeit die Anschauung über das "Untermenschentum" der jüdischen Rasse zu eigen gemacht. Unt. sah wie diese "Untermenschen" behandelt wurden, dass ihr Leben nichts galt, und er erfuhr schliesslich von der durch Hitler angeordneten Vernichtung der jüdischen Rasse. Der Angeklagte sah auch wie dieser generelle Vernichtungsbefehl gehandhabt wurde, sei es durch Massenvernichtung der Juden im Konzentrationslager oder Tötung der Juden in ZAL aus nichtigem Anlass.

 

Mit dem Befehl zur Tötung der drei Häftlinge im Lager Rymanow wollte der Angeklagte seinen Beitrag zur generell angeordneten Judenvernichtung leisten. Er wollte die NS-Machthaber in ihrem Plan unterstützen und dadurch seine Gefolgschaftstreue unter Beweis stellen.

 

Trotz seines einfachen Wesens war dem Angeklagten dabei jedoch klar, dass der einzige Grund zur Tötung der Juden Rassenhass war. Es entsprach seiner Einstellung, bei der Tötung dieser "minderwertigen Rasse" seinen Tatbeitrag zu leisten. Schliesslich erkannte der Angeklagte auch, dass die Tötung dieser Menschen, die grundlos oder aus nichtigem Anlass erfolgte, ungerechtfertigt und verbrecherisch war.

 

V. « Beweismittel und Beweiswürdigung »

 

Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Schwurgerichts fest auf Grund der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte, den Bekundungen der Zeugen Leh., Kel., Ste. und Bre., sowie den Ausführungen der Sachverständigen Prof.Dr. Schw., Facharzt für Psychologie und Leiter des gerichtsmedizinischen Instituts der Universität Aachen, Regierungsmedizinaldirektor Dr. Dah. und Josef Pod., Dolmetscher für die polnische Sprache. In der Hauptverhandlung wurden weiterhin verlesen und zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht: Urteil des Schwurgerichts beim Landgericht München II vom 10.3.1952 (Aktenzeichen: Gem. Ks 9, 10/51), soweit es den Angeklagten betrifft, und Unterlagen des "Berlin Document Center" (Bl.335 bis 337 der Akten).

 

Der Lebenslauf des Angeklagten beruht mit Ausnahme seines Aufenthalts in Rymanow auf dessen glaubhafter, nicht widerlegbarer Einlassung. Im übrigen bestreitet er die ihm zur Last gelegte Tat.

 

Er gibt an, er sei im Juli 1943 direkt von Krakau aus in das ZAL Szebnie gekommen. Bis zur Auflösung von Szebnie sei er in keinem anderen Lager gewesen, demnach auch nicht in Rymanow. Der Name Rymanow sei ihm kein Begriff. Die Zeugen, die ihn in Rymanow