Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXIV

Verfahren Nr.732 - 746 (1970 - 1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.735a LG München I 18.06.1970 JuNSV Bd.XXXIV S.331

 

Lfd.Nr.735a    LG München I    18.06.1970    JuNSV Bd.XXXIV S.335

 

Kriegsgefangenen belegt. Nach dem Abzug dieser Kriegsgefangenen wurde das Lager abgerissen und die Bauteile mit der Bahn in ein anderes Lager gebracht. Zu diesem Zwecke wurden im April 1943, einige Tage nach dem jüdischen Pessachfest, mehrere Gruppen jüdischer Häftlinge - ausschliesslich Männer - aus dem Ghetto Tarnow und den ZAL Szebnie und Plaszow zur Durchführung der Abbrucharbeiten nach Rymanow verlegt. Es befanden sich etwa 150 jüdische Zwangsarbeiter im Lager, die in einer der vorhandenen Baracken lebten. Die Häftlinge waren in mehrere Arbeitsgruppen eingeteilt. So hatte die eine Gruppe die Baracken abzureissen und auf Bauernfahrzeuge zu verladen, die andere, die sog. "Bahnkolonne" verlud am Bahnhof Rymanow die Bauteile auf Eisenbahnwaggons.

 

In die Leitung des Lagers teilten sich der damalige Polizeihauptwachtmeister Ber., welcher damals den Spitznamen "Krummer Kopf" trug, ein oder zwei weitere Deutsche, sowie der Angeklagte. Unt. - sein Dienstgrad war damals SS-Hauptscharführer - war im Lager unter den Spitznamen "Dziadek" (Opa), "Staruszek" (Alterchen) und "Saul Briller" bekannt. Er war vorwiegend mit der Leitung der Bahnkolonne betraut. Im übrigen lagen die Befehlsverhältnisse so, dass wichtige Entscheidungen vom Kommandanten des Hauptlagers Szebnie getroffen wurden. Einmal entfloh während der Verladearbeiten am Bahnhof Rymanow aus der "Bahnkolonne" ein jüdischer Häftling. Auf Benachrichtigung erschien der Kommandant des ZAL Szebnie und ordnete als Vergeltungsmassnahme die Verprügelung der zur "Bahnkolonne" gehörenden Häftlinge an. Etwa im Juli 1943 war das Lager Rymanow abgebaut. Die Häftlinge wurden zum Teil in das ZAL Szebnie, zum Teil in das ZAL Plaszow gebracht. Der Abtransport erfolgte gruppenweise.

 

Im November 1943 wurde schliesslich ein grosser Teil der Insassen des ZAL Szebnie zur Vernichtung nach Auschwitz verbracht, Anfang 1944 wurde Szebnie ganz aufgelöst.

 

IV. « Der Sachverhalt »

 

An einem unbekannten Tag, etwa im Juli 1943, als das Lager abgerissen und der grösste Teil der Häftlinge bereits abtransportiert war, versammelten sich die letzten noch verbliebenen Häftlinge, ca. 40-50 an der Zahl, in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Lagers Rymanow, um auf den Transport in das ZAL Szebnie zu warten. Als einziger Deutscher war zu diesem Zeitpunkt noch der Angeklagte anwesend. Er hatte die Führung dieser Gruppe. Zur Bewachung der Häftlinge waren ausserdem noch einige ukrainische Hilfswillige zurückgeblieben.

 

Im Verlaufe der Wartezeit versuchte ein etwa 20-jähriger jüdischer Häftling zu flüchten. Unt. schickte sofort einige ukrainische Bewacher hinterher, denen es trotz des etwas unübersichtlichen Geländes gelang, den Flüchtling in kurzer Zeit wieder einzufangen. Der Angeklagte fragte den zur wartenden Gruppe Zurückgebrachten, wer von seinem Fluchtplan gewusst habe. Der Häftling deutete hierauf auf den aus Neu-Sandez stammenden etwa 17 Jahre alten Juden Josef Bergmann, dem Sohn des Baruch Bergmann. Der Angeklagte befahl hierauf, den Geflohenen und dessen Bruder, der sich ebenfalls unter den wartenden Häftlingen befand, sowie den Häftling Josef Bergmann zu erschiessen. Unt. gab diese Anordnung ohne für solche Fälle Befehlsgewalt zu haben und ohne sich mit seiner vorgesetzten Dienststelle zu besprechen.

 

In Ausführung dieses Befehls wurde ein Kommando, bestehend aus bewaffneten ukrainischen Hilfswilligen und mit Schaufel und Spaten versehenen Häftlingen, gebildet. Das Kommando begab sich mit den drei Todgeweihten hinter einen einige hundert Meter vom Warteplatz entfernten Hügel. Dort wurden diese drei Juden von den Ukrainern erschossen und von dem aus Häftlingen bestehendem Arbeitskommando verscharrt. Ob der Angeklagte am Warteplatz zurückblieb oder mit zur Exekutionsstätte ging, konnte nicht mehr geklärt werden. Nachdem das Erschiessungskommando wieder zu den Wartenden zurückgekehrt war, hielt der Angeklagte vor den versammelten Häftlingen eine Rede, in der sinngemäss zum Ausdruck kam,