Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXIV

Verfahren Nr.732 - 746 (1970 - 1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.735a LG München I 18.06.1970 JuNSV Bd.XXXIV S.331

 

Lfd.Nr.735a    LG München I    18.06.1970    JuNSV Bd.XXXIV S.334

 

1939 die "Endlösung" der Judenfrage abzuzeichnen. So erläuterte Heydrich in einem an die Chefs aller Einsatzgruppen gerichteten Schnellbrief vom 21.9.1939 zur Regelung "der Judenfrage im besetzten Gebiet" die geplanten Gesamtmassnahmen dahin, dass zwischen "dem Endziel (welches längere Fristen beansprucht)" und "den Abschnitten der Erfüllung dieses Endzieles (welche kurzfristig durchgeführt werden)" zu unterscheiden sei. Unter Hinweis auf strenge Geheimhaltungspflicht betonte er, dass die geplanten Massnahmen "gründlichster Vorbereitung sowohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht" bedürften. Indem Heydrich zugleich die "kurzfristigen Massnahmen" im einzelnen, z.B. durch Konzentrierung der Juden an Bahnknotenpunkten und durch Bildung von Judenräten näher umriss, skizzierte er bereits mit diesem Schnellbrief ein Vernichtungsprogramm, das 2 Jahre später bei der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Polens und Osteuropas tatsächlich praktiziert wurde.

 

In Verfolgung dieses Planes, der zur "Endlösung" führen sollte, wurde die Entrechtung und Unterdrückung der polnischen Juden soweit vorangetrieben, dass bereits im Jahre 1941 die Zusammenfassung der jüdischen Bevölkerung in bestimmten Wohnbezirken und Ghettos hauptsächlich abgeschlossen war. Das unbefugte Verlassen dieser Wohnbezirke war mit der Todesstrafe verbunden.

 

Als die Konzentration der Juden erfolgt war, konnte man an die Massenvernichtung der jüdischen Bevölkerung Polens gehen. Nachdem in Auschwitz bereits "Probevergasungen" stattgefunden hatten, begann in der ersten Hälfte des Jahres 1942 die "Liquidierung" der polnischen Juden in den Lagern Auschwitz, Belzec, Sobibor und Treblinka.

 

Die Zusammentreibung der Juden und der Abtransport in die Vernichtungslager wurde als "Judenaussiedlung" bezeichnet. Die versammelten Juden wurden, nachdem die arbeitsfähigen jüngeren Männer und Frauen ausgesondert worden waren, zu den Transportzügen geführt oder zunächst in Durchgangslager gebracht. So diente auch das Lager Szebnie im Herbst 1943 als Durchgangslager für Judentransporte nach Auschwitz. Die ausgesonderten jüngeren Männer und Frauen wurden in die bereits in den Jahren 1939-1940 geschaffenen Arbeitslager für Juden verbracht. Es lag im Plan der NS-Machthaber, die Arbeitskraft der Juden vorher brutal auszunützen, bevor diese getötet wurden. Die Gewalthaber gingen hierbei von der Überlegung aus, dass selbst die perfekteste Vernichtungsmaschinerie für die Ermordung so vieler Menschen (in den Lagern Belzec, Sobibor und Treblinka wurden mindestens 1,5 Millionen Juden getötet) längere Zeit benötigen würde. In dieser Wartezeit konnten die Todeskandidaten dem 3.Reich mit ihrer Arbeitskraft nützen.

 

Entsprechend der Tatsache, dass die NS-Gewalthaber die Juden in ihrem Herrschaftsbereich ausnahmslos töten wollten, wurden die Insassen der Arbeitslager behandelt. Der einzelne Lagerinsasse galt nichts. Nach den Absichten der Machthaber war die Verpflegung der zu Schwerstarbeitern gezwungenen Juden gering. Es ging darum, mit wenig Aufwand möglichst hohe Leistungen aus den Juden herauszuholen. Dass eine grosse Anzahl der Lagerinsassen an Schwäche starb, war im Hinblick auf die später geplante Vernichtung bedeutungslos. Da nach der NS-Ideologie das Leben eines Juden nichts galt, war auch die Behandlung der Zwangsarbeitslagerinsassen durch das deutsche Aufsichts- und Bewachungspersonal entsprechend. Beim geringsten Anlass wurden die Juden getötet. Den Bewachern der Inhaftierten war klar, dass die Staatsführung jede Massnahme gegen Juden billigte und sogar ein genereller Befehl zur Vernichtung der Juden bestand.

 

III. « Das ZAL Rymanow »

 

Rymanow ist eine Kleinstadt im Bezirk Krosno, zum Distrikt Krakau gehörig. Das Lager Rymanow war zeitweise eine Nebenstelle des Zwangsarbeitslagers (ZAL) Szebnie, das ebenfalls im Distrikt Krakau liegt. Rymanow bestand aus einer grösseren Anzahl Baracken (Gesamtfassungsvermögen etwa 15.000 Personen); es war zunächst mit russischen