Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXIV

Verfahren Nr.732 - 746 (1970 - 1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.735a LG München I 18.06.1970 JuNSV Bd.XXXIV S.331

 

Lfd.Nr.735a    LG München I    18.06.1970    JuNSV Bd.XXXIV S.331

 

116 Ks 1/70

 

Im Namen des Volkes

 

 

Das Schwurgericht des Landgerichts München I erlässt in der Strafsache gegen

 

Unt. Johann 140, geb. am 12.4.1900 in München, verh., Rentner, deutscher Staatsangehöriger, München-Aubing

 

wegen Mordes

 

in der öffentlichen Sitzung vom 18.Juni 1970, auf Grund der Hauptverhandlung vom 4.Juni 1970, 5.Juni 1970, 15.Juni 1970 und 18.Juni 1970, folgendes Urteil:

 

Unt. Johann, geboren am 12.4.1900 in München, verheirateter Rentner, deutscher Staatsangehöriger, wohnhaft in München, ist schuldig dreier rechtlich zusammentreffender Verbrechen der Beihilfe zum Mord, begangen in Mittäterschaft und wird deswegen zur Freiheitsstrafe von 4 Jahren 6 Monaten verurteilt.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens, einschliesslich der ihm erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Dem Angeklagten wird für die Dauer von 5 Jahren die Fähigkeit aberkannt, öffentliche Ämter zu bekleiden.

 

 

GRÜNDE

 

I. « Die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten »

 

Der heute 70-jährige Angeklagte Johann Unt. wurde in München-Pasing als ältestes von 3 Kindern des Pflasterers Johann Unt. geboren. Er wuchs im elterlichen Haushalt auf und besuchte in München 8 Jahre die Volksschule. Nach der Schulentlassung im Jahre 1914 wurde er Bauhilfsarbeiter. 1917 war er zum Stellungsbau an der Westfront eingesetzt. Im Jahre 1918 kam er zum Bayerischen Reserve-Infanterie-Regiment Nr.1 und gehörte anschliessend etwas über ein Jahr dem Freikorps Epp an. Dann begab er sich auf Wanderschaft und suchte Gelegenheitsarbeiten. Ende 1920 wurde er in dem von Frankreich besetzten Rheinland aufgegriffen. Der Angeklagte wurde dann unter falschen Behauptungen dazu gebracht, einen Verpflichtungsschein für die Fremdenlegion zu unterzeichnen. Bis 1926 war er als Fremdenlegionär in Algerien und Marokko stationiert. Nach seiner Rückkehr arbeitete er in einer Pflug- und Eggenfabrik in München-Pasing. Von 1928 bis 1933 war er arbeitslos.

 

Nachdem der Angeklagte im März 1929 der NSDAP und dem SA-Sturm Pasing beigetreten war, trat er 1933 zur SS über. Ende März 1933 kam er ohne sein Zutun in das Konzentrationslager Dachau, wo er der Bewachungsmannschaft zugeteilt wurde. Später fand Unt. bei der Postzensur und von März 1934 bis Ende 1942 als Arrestaufseher Verwendung. Mit Wirkung vom 1.1.1943 wurde der Angeklagte zur Stabskompanie beim Höheren SS- und Polizeiführer Krakau versetzt. In Krakau nahm er an mehreren Razzias nach Partisanen teil. Im Frühjahr 1943 kam er als Leiter einer mit jüdischen Häftlingen besetzten Arbeitskolonne - im Range eines SS-Hauptscharführers, den er bis Kriegsende beibehielt - in das ehemalige

 

140 Rechtskräftig durch Urteil des BGH vom 11.5.1971, 1 StR 91/71, Lfd.Nr.735b.