Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXIV

Verfahren Nr.732 - 746 (1970 - 1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.734b BGH 30.11.1971 JuNSV Bd.XXXIV S.327

 

Lfd.Nr.734b    BGH    30.11.1971    JuNSV Bd.XXXIV S.328

 

S.25/26 132) und dass deshalb "die übrigen Häftlinge vor weiteren Fluchtversuchen abgeschreckt" werden sollten (UA S.57 133). "Aus diesem Eigeninteresse hätte er" aber "allein von sich aus die Tötungen nicht veranlasst" (UA S.59 134). Er empfand die Tötungsbefehle "als sehr hart" (UA S.21 135). Da diese Befehle ihm keinen "Ermessensspielraum" liessen (UA S.21, 56 136) und weil Charakter und Erziehung ihn schon früher dazu gebracht hatten, Befehlen widerspruchslos nachzukommen (UA S.24 137), folgte er nun auch den von ihm als unrechtmässig erkannten Tötungsbefehlen. Die Feststellungen an anderer Stelle (UA S.64 138) ergeben ebenfalls, dass der Angeklagte lediglich auf Grund "der ihm anerzogenen Gehorsamspflicht" geglaubt hat, die "von ihm als verbrecherisch erkannten" Tötungsbefehle befolgen zu müssen.

 

Entgegen der Meinung des Generalbundesanwalts schliessen die schriftlichen Entscheidungsgründe also die Möglichkeit aus, dass der Angeklagte die Tötungen aus masslosem Ehrgeiz gewollt hat.

 

Offensichtlich fehl geht die Meinung der Staatsanwaltschaft, "blinder Gehorsam" sei hier schon deshalb ein niedriger Beweggrund, weil er zu schweren, vom Angeklagten erkannten Unrechtsfolgen geführt habe. Zutreffend hat das Schwurgericht im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hervorgehoben (UA S.59/60 139), dass es unangebracht ist, bei denjenigen Angeklagten niedrige Beweggründe anzunehmen, denen die Befolgung eines Befehles in Dienstsachen in Kriegszeiten zum Vorwurf gemacht wird, auch wenn sie zur Nichtbefolgung verpflichtet waren und darum bestraft werden müssen.

 

3. Mit Recht rügen Revision und Generalbundesanwalt, dass das Verfahren wegen der drei Beihilfefälle nicht eingestellt worden ist. Dies hätte gemäss §260 Abs.2 StPO geschehen müssen. Denn entgegen der Annahme des Schwurgerichts handelte es sich bei den zehn Anklagevorwürfen nicht um eine Tat im prozessualen Sinne (§264 StPO), wie angesichts der Urteilsfeststellungen keiner näheren Begründung bedarf.

 

Gemäss §354 Abs.1 StPO hat der Senat von sich aus den Schuldspruch geändert. Nach §467 Abs.3 Satz 2 Nr.2 StPO ist in den drei Fällen der Einstellung davon abgesehen worden, die notwendigen Auslagen der Landeskasse aufzuerlegen. Das erschien dem Senat nicht angemessen.

 

 

 

132 = Seite 306 dieses Bandes.

133 = Seite 320 dieses Bandes.

134 = Seite 321 dieses Bandes.

135 = Seite 304 dieses Bandes.

136 = Seite 304, 320 dieses Bandes.

137 = Seite 305 dieses Bandes.

138 = Seite 323 dieses Bandes.

139 = Seite 321 dieses Bandes.