Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXIV

Verfahren Nr.732 - 746 (1970 - 1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.734a LG Braunschweig 12.06.1970 JuNSV Bd.XXXIV S.297

 

Lfd.Nr.734a    LG Braunschweig    12.06.1970    JuNSV Bd.XXXIV S.326

 

verjährte daher nach §67 Abs.1 StGB a.F. in 15 Jahren. Auch hier war also unter Berücksichtigung des oben dargelegten Beginns der Verjährungsfrist die Verjährung schon eingetreten, als der Haftbefehl vom 13.3.1967 erlassen worden ist.

 

3) Eine Anwendung von §6 des Straffreiheitsgesetzes vom 17.7.1954 scheidet aus, da das Schwurgericht im Falle eines Strafausspruches bei Würdigung aller Umstände (§13 StGB) eine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren verhängt hätte.

 

4) Die Verurteilung des Angeklagten durch das englische Militärgericht hat die Strafklage in der vorliegenden Sache nicht verbraucht (Art.7 des Überleitungsvertrages vom 26.5.1952 in der Fassung der Bekanntmachung vom 30.3.1955, BGBl. II, 405), da das damalige Verfahren die hier behandelten Straftaten nicht zum Gegenstand hatte.

 

VI. « Freisprechung des Angeklagten »

 

Der Angeklagte war freizusprechen. Das Schwurgericht sah diese Sachentscheidung nicht als durch ein Verfahrenshindernis ausgeschlossen an und hat deshalb §260 Abs.3 StPO nicht angewendet.

 

1) Die aufgrund der Anordnung vom 11.9.1944 vorgenommenen Tötungen und die Tötung Schwalkes sind in der Anklageschrift und im Eröffnungsbeschluss rechtlich als Mord (§211 StGB) bewertet worden. Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung sind dieselben Handlungen jedoch als Totschlag zu würdigen. Einer Strafverfolgung wegen Totschlags steht das endgültige Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung entgegen. Wegen des dem Angeklagten zur Last gelegten Mordes in neun Fällen kann eine Sachentscheidung dahin ergehen, dass der Angeklagte freizusprechen ist. Totschlag ist gegenüber Mord das leichtere Delikt, wie sich schon aus der Regelstrafandrohung ergibt. Der Angeklagte war daher insoweit freizusprechen (vgl. Kleinknecht StPO, 29.Aufl. §260 Anm.7 B b; Löwe-Rosenberg StPO, 21.Aufl., §260 Anm.8a; KMR §260 StPO, Anm.9 b).

 

2) Einer Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der verjährten Fälle der Beihilfe zum Mord bedurfte es neben des Freispruchs nicht. Diese Fälle gehören zusammen mit den angeklagten Mordfällen zu einem einheitlichen geschichtlichen Vorgang der Tätigkeit des Angeklagten in der fraglichen Zeit im KL Gross-Rosen und als dessen Kommandant. Alle dem Angeklagten zur Last gelegten Fälle waren durch Anklage und Eröffnungsbeschluss einheitlich Gegenstand des Strafverfahrens und der Hauptverhandlung. Im prozessualen Sinn (§264 StPO) handelte es sich daher um eine Tat, nicht um mehrere. Ihre enge innere Verknüpfung liess die Handlungen als einen einheitlichen Lebensvorgang erscheinen (vgl. Kleinknecht a.a.O., sowie §264 Anm.1 A; Löwe-Rosenberg a.a.O. §264 Anm.2; KMR §264 StPO, Anm.4).

 

Da auch die hier vorliegenden Fälle der Beihilfe zum Mord gegenüber Mord als leichtere Delikte zu werten sind, bedurfte es neben des Freispruchs wegen Mordes keiner gesonderten Einstellung des Verfahrens nach §260 Abs.3 StPO.

 

VII. « Kostenentscheidung »

 

Die Kostenentscheidung beruht auf §467 StPO.