Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam
Lfd.Nr.579a LG Aurich 26.06.1964 JuNSV Bd.XX S.315
Bestimmtheit erklärt, dass Jagst einen Mann vom Wagen heruntergeholt habe und dieser Mann weggeführt worden sei. Ferner hat er auf Vorhalt eingeräumt, in einer früheren Hauptverhandlung ausgesagt zu haben, dass er im Anschluss daran Schüsse gehört habe. Weiter hat er auf Befragen erklärt, er wisse heute nicht mehr, ob in Sveksna ein Jude oder mehrere Juden vom Wagen heruntergeholt worden seien. Auf die Frage, ob auch Dr. Scheu bei diesem Vorfall beteiligt gewesen sei, hat er ausweichend geantwortet, Dr. Scheu sei wohl bei dem Transport dabei gewesen; er wisse aber nicht mehr, ob er ihn auch bei dem geschilderten Vorgang gesehen habe. Im ganzen hat der Zeuge Wal. bei seiner Vernehmung den Eindruck hinterlassen, dass er mehr weiss als er zugibt, und durch sein unsicheres und ausweichendes Verhalten sowohl sein schlechtes Gewissen als auch sein Bestreben offenbart, die Angeklagten Dr. Scheu und Jagst möglichst zu schonen.
Die Tatsache, dass nach dem Abführen der drei Männer Schüsse fielen, wird im übrigen von allen vier jüdischen Zeugen in übereinstimmender Weise geschildert. Die Zeugen Arie Go., David Go. und Joseph Ar. haben ferner bekundet, dass Dr. Scheu und Jagst nach ihrer Rückkehr zu den auf dem Lastwagen wartenden Juden gesagt hätten, wer sich rühre oder sonst nicht gehorche, werde ebenfalls erschossen werden.
Während der Zeuge Wal. in seiner - insoweit wenig glaubwürdigen - Aussage behauptet, er habe keine Erschiessung beobachtet und keinen Toten gesehen, und die Zeugen Hal., Arie Go. und David Go. übereinstimmend erklären, sie hätten die Erschiessung der Männer gleichfalls nicht beobachtet, weil sie von ihrem Standpunkt auf dem vor der Synagoge haltenden Lastwagen die Seite des Gebäudes, an der die Männer entlanggeführt wurden, nicht einsehen konnten, hat der Zeuge Joseph Ar. in der Hauptverhandlung ausführlich geschildert, dass er die Erschiessung seines Bruders und der beiden anderen Männer mit eigenen Augen gesehen habe. Er hat hierzu im einzelnen bekundet;
Er habe fast am Ende des Anhängers gesessen. Dr. Scheu und Jagst hätten seinen Bruder Selig Ar., der auf dem vorderen Wagen gesessen habe, und die beiden anderen Männer zum Absteigen aufgefordert. Selig Ar. habe eine kurze Jacke getragen. Dr. Scheu und Jagst hätten sie ihm ausgezogen und dabei gesagt, jemand anderes würde sie benötigen. Sie hätten ferner erzählt, die Männer würden wie Hunde erschossen werden. Dann hätten sie die Leute an die Seite der Synagoge geführt. In diesem Augenblick sei er, der Zeuge, zur äussersten Ecke des Anhängers gegangen und habe sich über die Rückwand hinausgebeugt, um zu sehen, was mit seinem Bruder geschehen würde. So habe er - im Gegensatz zu den anderen jüdischen Zeugen - an der Seite der Synagoge entlangsehen und die Erschiessung beobachten können. Dr. Scheu und Jagst hätten die Männer neben die Synagoge geführt. Sie seien mit ihnen fast an das Ende des Gebäudes gegangen. Dort hätten sie die Männer in der Nähe der Mauer sofort erschossen. Dr. Scheu und Jagst hätten beide mit ihren Pistolen geschossen. Er könne allerdings nicht sagen, wer als erster geschossen habe und wer als zweiter; jedoch hätten beide Angeklagten auf die Opfer geschossen. Er, der Zeuge, habe den Vorgang genau beobachtet. Die Erschiessungsstelle sei von seinem Standort nur 7 bis 10 Meter entfernt gewesen. Zwar habe er damals keine Brille getragen, weil diese schon in Laukova kaputtgegangen sei. Er habe aber auch ohne Brille den Vorfall beobachten können. Es seien noch mehrere SS-Männer bei dem Lastwagen gewesen; hinter die Synagoge seien aber nur Dr. Scheu und Jagst gegangen. Ein Litauer sei nicht in der Nähe gewesen. Er wisse sicher, dass Dr. Scheu und Jagst die Schützen gewesen wären.
Obwohl der Zeuge Joseph Ar. seine Aussage mit dem Eid bekräftigt hat, hat das Schwurgericht Bedenken, diesen Angaben zu folgen. Es ist der Meinung, dass der Zeuge in seinem - nach den Umständen allerdings verständlichen und vollauf begründeten - Hass gegen Dr. Scheu möglicherweise das von ihm befürchtete und vorgestellte Ende des Vorganges der objektiven Wahrheit zuwider als eigene Wahrnehmung geschildert hat. Für diese Möglichkeit sprechen immerhin folgende Umstände, die geeignet sind, Zweifel an der Aussage des Zeugen zu erwecken:
a. Im Jahre 1942 oder im Frühjahr 1943 wurde auf der Ziegelei von Dr. Scheu in