Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXIV

Verfahren Nr.732 - 746 (1970 - 1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.734a LG Braunschweig 12.06.1970 JuNSV Bd.XXXIV S.297

 

Lfd.Nr.734a    LG Braunschweig    12.06.1970    JuNSV Bd.XXXIV S.314

 

"Betrifft: Übernahme von Sowjetruss. Kgf. --

Die Sowjetruss. Kgf.

1. Tjigran Ssantadse, geb. 15.9.20 Kgf. Nr.217.

2. Alexander Bjeloch, geb. 15.5.98 Kgf. Nr.70 482 (Volljude).

3. Nikolai Jazenko, geb. 25.12.16 Kgf. Nr.15719

4. Iwan Prinz, geb. 15.9.16, Kgf. Nr.15697.

wurden von dem STALAG VIII A in Goerlitz aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und am 27.6.44 nach dort überstellt.

Zu 1-2. hetzten andere Kgf. zur Fluchtergreifung auf. Die geplante Flucht des gesamten Arb.Kdo. am 9.6.44 konnte noch rechtzeitig verhindert werden.

Zu 3-4. sind von einem Arbeitskdo. geflüchtet und verübten während der Flucht Einbrüche und Diebstähle.

Ich bitte die Genannten zu übernehmen und als Schutzhäftlinge im Arbeitseinsatz zu verwenden. Gegen den Volljuden B. habe ich beim RSHA. Sonderbehandlung beantragt und bitte ihn bis zum Eingang der Entscheidung gleichfalls im Arbeitseinsatz zu verwenden.

Stl. Breslau IV 1 C 4 537/44 IA. gez. Mehl KK."

 

Am 25.7.1944 ging sodann folgendes Fernschreiben der Stapoleitstelle Breslau, gerichtet an den Kommandanten des KL Gross-Rosen, im KL Gross-Rosen ein:

 

"Betr.: Sowjetruss. Kgf. Nr.70 482, Alexander Bjeloch, geb. 15.5.1898 in Bjalistock.

Vorg.: Hies. FS. Nr.11 929 v. 6.7.44 - IV 1 C/4 - 5373/44.

Das RSHA. hat durch Erlass vom 17.7.44 - IV B 2 A - 2650/44 G. die Sonderbehandlung gegen B. genehmigt. Ich bitte um Vollstreckung und Vollzugsnachricht.

Stl. Breslau - IV 1 C - 4 - 5373/44 -

IA. gez. Mehl - KK."

 

Beide Fernschreiben sind vom Angeklagten mit seinem Handzeichen versehen worden als Zeichen der Kenntnisnahme vom Inhalt. Bjeloch wurde am 10.8.1944 im KL Gross-Rosen erschossen. Am 10.8.1944 sandte der Angeklagte folgendes Fernschreiben an das RSHA Berlin, nachrichtlich an die Stapoleitstelle Breslau:

 

"Betrifft: Sowjetr. Kgf. Nr.70 482 Alexander Bjeloch geb. 15.5.98 in Bjalistock

Bezug: FS. Breslau Nr.13102 vom 25.7.44 Az: IV 1 c - 4 - 5373/44

Obenstehender Kgf. wurde befehlsgemäss am 10.8.44 um 7.30 Uhr im hiesigen KL durch Erschiessen exekutiert.

Kdt. Gr.Ro. Has."

 

Die gegen Bjeloch getroffenen Massnahmen beruhen wie die gegen Himilbljau auf den dort genannten Einsatzbefehlen und Richtlinien des CSSD und der Anordnung des OKW, denen die bereits dargelegte feindliche Einstellung gegenüber Juden zugrundelag, die vom Angeklagten nicht geteilt wurde. Der Angeklagte liess auch in diesem Falle in Kenntnis der Rechtswidrigkeit die Exekution durchführen, um der von ihm angenommenen Gehorsamspflicht zu genügen und der Exekutionsanordnung des RSHA als ihm übergeordneter Dienststelle zur Durchsetzung zu verhelfen. Aus denselben Gründen wie im Fall Humianko fehlte ihm auch hier ein eigenes Interesse an der Tat, und er wollte sie auch nicht als eigene.