Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXIV

Verfahren Nr.732 - 746 (1970 - 1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.734a LG Braunschweig 12.06.1970 JuNSV Bd.XXXIV S.297

 

Lfd.Nr.734a    LG Braunschweig    12.06.1970    JuNSV Bd.XXXIV S.313

 

Durch Erlass des Reichssicherheitshauptamtes FS. NE 43 299 V. 4.5.44 - Roem 4 - B 2 Klein A - 2223/44 - Klein G - ist der Genannte im KL Gross-Rosen zu exekutieren. - Vollzugsmeldung des KL. -

- Breslau - Roem 4 - 1 Klein C / 4 - 985/44 - J. 394 -

IA. gez. Maletke KI."

Auch dieses Fernschreiben hat der Angeklagte als Zeichen der Kenntnisnahme von seinem Inhalt mit seinem Handzeichen versehen.

 

Himilbljau wurde hingerichtet. Am 13.5.1944 wurde von "Abt.I Adjutantur" des KL Gross-Rosen folgendes Fernschreiben "an das RSHA Berlin Nachrichtlich an: Stapoleitstelle Breslau" abgesandt:

 

"Betr.: Sowjetr. Kgf. Josef Himilbljau, Kgf.Nr.84 228/358

Bezug.: FS. des Stl. Breslau O 7877 v. 11.6.44 - IV 1 c/4 - 985/44 - J.394 - und Erlass des RSHA. Berlin FS Ne 43299 v. 4.5.44 - IV B 2 a - 2223/44 g.

Der Obengenannte wurde am 13.Mai 1944 um 7.20 Uhr im hiesigen Lager befehlsgemäss exekutiert.

Die Leiche wurde im Lagerkrematorium eingeäschert.

Kdt. Gross-Rosen Has."

 

Die Massnahmen gegen Himilbljau beruhen auf den Einsatzbefehlen Nr.8, 9 und 14 des CSSD vom 17.7., 21.7. und 29.10.1941 einschliesslich der dazu erlassenen Richtlinien in Verbindung mit der "Anordnung für die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener" des OKW vom 8.9.1941. Danach waren besondere Kommandos "in Stärke von einem SS-Führer und 4 bis 6 Mann" zu bilden zur "politischen Überprüfung aller Lagerinsassen" sowie zur "Aussonderung und weiteren Behandlung a) der in politischer, krimineller oder sonstiger Hinsicht untragbaren Elemente unter diesen, b) jener Personen, die für den Wiederaufbau der besetzten Gebiete verwendet werden können." Dabei waren neben allen bedeutenden Funktionären des Staates und der Partei, wie Berufsrevolutionäre, Funktionäre der Komintern, Volkskommissare u.a. auch "die sowjetischen Intelligenzler, alle Juden und alle Personen, die als Aufwiegler oder fanatische Kommunisten festgestellt werden" auszusondern. Der Leiter des Einsatzkommandos hatte jede Woche einen Kurzbericht an das RSHA zu geben, das sodann "die zu treffenden weiteren Massnahmen umgehendst" mitteilte. Die Kommandos hatten die Herausgabe der betreffenden Gefangenen zu beantragen, die Lagerkommandanten waren vom OKW angewiesen, derartigen Anträgen stattzugeben. "Exekutionen dürfen nicht im Lager oder in unmittelbarer Nähe des Lagers durchgeführt werden." Und im Einsatzbefehl Nr.9 heisst es für die bereits im Reichsgebiet befindlichen sowjetrussischen Kriegsgefangenen: "Die Exekutionen sind nicht öffentlich und müssen unauffällig im nächsten Konzentrationslager durchgeführt werden." Der in diesen Befehlen erneut zum Ausdruck kommende Rassenhass massgeblicher Stellen der Reichsführung führte zur Tötung des Halbjuden Himilbljau. Der Angeklagte wusste, dass Himilbljau in rechtswidriger Weise ohne Gerichtsurteil nur deswegen hingerichtet wurde, weil er Halbjude war, da die Reichsführung mit der sogenannten Endlösung der Judenfrage alle Juden innerhalb ihres Einflussbereiches töten wollte. Er selbst teilte unwiderlegbar jedoch weder die Auffassung der Reichsführung über die rassische Minderwertigkeit der Juden noch deren Ansicht, dass alle Juden zu töten seien. Gleichwohl hielt er die Exekutionsanordnung des RSHA bzw. der Stapoleitstelle für verbindlich, wollte ihr zur Durchsetzung verhelfen und liess deshalb die Exekution in dem von ihm geleiteten KL durchführen. Aus denselben Gründen wie im Falle Humianko fehlte ihm auch hier ein eigenes Interesse an der Tat, und er wollte sie auch nicht als eigene.

 

E. Bjeloch

 

Am 6.7.1944 traf folgendes an die Kommandantur des KL Gross-Rosen gerichtetes Fernschreiben der Stapoleitstelle Breslau im KL Gross-Rosen ein: