Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam
Lfd.Nr.579a LG Aurich 26.06.1964 JuNSV Bd.XX S.313
ihm unterstellten SS-Männer und die zu Hilfe herangezogenen Litauer durch ausdrückliche Anordnung oder stillschweigende Duldung veranlasst hat. Das Schwurgericht hat daher trotz der vielfach entgegenstehenden Zeugenaussagen annehmen müssen, dass Dr. Scheu bei den Aktionen in Sveksna, Vevirzeniai, Kvedarna und Laukova keine Misshandlungen der Zeugen durch schlagen, treten oder stossen angeordnet oder geduldet hat und dass derartige Übergriffe, soweit sie vorgekommen sind, von den SS-Leuten oder den litauischen Hilfskräften eigenmächtig und ohne Wissen von Dr. Scheu begangen wurden.
VII. Die Erschiessung von drei Juden in Sveksna
1. Tatsächliche Feststellungen
Bei der Festnahme der Juden in Laukova am 29.Juni 1941 sagte ein litauischer Schaulist (möglicherweise hiess er Kelbschies) auf dem Marktplatz zu einem SS-Angehörigen (wahrscheinlich Dr. Scheu oder Jagst), ein junger Jude Selig Ar. (Bruder des Zeugen Joseph Ar.) sei Kommunist; der Jude Eliah Shapiro, der ein Furunkel unter dem Arm hatte, und der lungenkranke Jude Abraham Gershon hätten sich krank gemeldet. Die Namen dieser drei Männer wurden wahrscheinlich auf einen Zettel geschrieben. Die festgenommenen Juden wurden auf einen gedeckten Lastkraftwagen nebst Anhänger verladen. Entweder standen sie dicht gedrängt oder sie hockten eng beieinander auf dem Boden. Der Transport fuhr am späten Nachmittag aus Laukova ab. Die SS-Leute, welche die Juden bewachten, fuhren auf einem anderen Lastkraftwagen hinterher. Die litauischen Schaulisten blieben in Laukova zurück.
Der Transport fuhr über Kvedarna nach Sveksna. Er traf dort etwa zur Zeit des Sonnenunterganges ein; es war aber noch hell.
Vor der Synagoge in Sveksna hielt der Lastkraftwagen mit den Juden an. Dr. Scheu und Jagst traten an den Wagen heran und sagten, der Kommunist solle absteigen, er würde erschossen. Sie nannten dabei den Namen Selig Ar. Ferner forderten sie den Mann mit dem Furunkel (Eliah Shapiro) und den Lungenkranken (Abraham Gershon) auf, ebenfalls abzusteigen und mitzukommen. Möglicherweise las einer von ihnen die Namen der drei Juden von einem Zettel ab. Der SS-Mann Wal. (Zeuge) war bei diesem Vorfall in der Nähe.
Die genannten drei Juden kletterten ohne Widerspruch vom Motorwagen und Anhänger herunter. Während die übrigen Juden auf den Fahrzeugen sitzenblieben, führten Dr. Scheu und Jagst und möglicherweise noch ein dritter SS-Mann die abgestiegenen Männer um die Ecke der Synagoge herum und an der Seite des Gebäudes entlang. Kurz darauf fielen mehrere Schüsse. Nach einigen Minuten kehrten Dr. Scheu und Jagst ohne die abgeführten Männer zu den Lastwagen zurück. Sie sagten zu den Juden sinngemäss, wenn einer sich rühre oder sonst nicht gehorche, werde er wie die drei Männer erschossen werden.
Der Aufenthalt in Sveksna dauerte insgesamt nur etwa 10 bis 15 Minuten. Dann fuhr der Transport weiter nach Heydekrug.
Von Selig Ar., Eliah Shapiro und Abraham Gershon hat man nie wieder etwas gehört oder gesehen. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die drei Männer nicht mehr am Leben sind.
2. Beweiswürdigung
Die Angeklagten Dr. Scheu und Jagst wollen sich an dieses Geschehen nicht erinnern. Sie betonen - allerdings mit einer deutlich erkennbaren inneren Unsicherheit -, der Vorfall sei ihnen völlig unbekannt. Ihre Einlassung ist indessen nicht glaubhaft.
Die jüdischen Zeugen Hal., Arie Go., David Go. und Joseph Ar. haben den festgestellten Vorgang präzise und eindrücklich geschildert. Ihre Aussagen stimmen in den wesentlichen Punkten überein. Soweit sie in weniger bedeutsamen Einzelheiten voneinander abweichen, wird die Richtigkeit des von ihnen bekundeten Gesamtgeschehens, soweit es vorstehend festgestellt worden ist, hierdurch nicht beeinflusst.
Der Vorgang in Laukova, bei dem ein litauischer Schaulist einen SS-Mann auf die drei nachher abgeführten Juden aufmerksam machte, wird von den Zeugen Hal., Arie Go.