Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXIV

Verfahren Nr.732 - 746 (1970 - 1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.734a LG Braunschweig 12.06.1970 JuNSV Bd.XXXIV S.297

 

Lfd.Nr.734a    LG Braunschweig    12.06.1970    JuNSV Bd.XXXIV S.310

 

Das Exekutionsprotokoll vom 21.9.1944 ist vom Angeklagten unterschrieben worden. Die Exekution wurde von 6 SS-Leuten unter Leitung des Obersturmführers Ernstberger durchgeführt. Der Angeklagte war bei dieser Exekution ebenso nicht zugegen wie bei allen anderen Exekutionen, die Gegenstand dieses Verfahrens sind. Am 21.9.1944 richtete sodann das KL Gross-Rosen folgendes Fernschreiben an das RSHA:

 

"Betrifft: Exekution des Schutzhäftlings Ukrainer Mykolaj Humianko, geb. 6.11.13 in Osiaty

Bezug: Erl. d. RSHA. Berlin vom 13.9.44 IV B 2 b-5886/44 u. FS. d. Stapoleitstelle Breslau Nr.17556 v. 20.9.44 Az: IV 1 c/1a/-30 426/44

Der obengenannte Schutzhäftling wurde befehlsgemäss am 21.9.1944 um 8.00 Uhr im hiesigen Lager durch Erschiessen exekutiert.

Kdt. Gr.Ro. Has."

 

Humianko, ein Ukrainer und damit nach Auffassung der damaligen Reichsführung ein Angehöriger einer "minderwertigen Rasse", hatte durch den Geschlechtsverkehr mit einer deutschen Frau ein todeswürdiges Verbrechen begangen. In dem Runderlass des RFSSuChdDtPol im RMdI vom 20.2.1942 - S IV D Nr.208/42 (ausl.Arb.) - "Einsatz von Arbeitskräften aus dem Osten" heisst es unter VI. Geschlechtsverkehr u.a.:

 

"Die Ausübung des Geschlechtsverkehrs ist den Arbeitern aus dem altsowjetrussischen Gebiet verboten ... Sollte es dennoch ... zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs kommen, ist wie folgt zu verfahren:

1. Für jeden Geschlechtsverkehr mit deutschen Volksgenossen oder Volksgenossinnen ist bei männlichen Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet Sonderbehandlung, bei weiblichen Arbeitskräften Einweisung in ein Konzentrationslager zu beantragen.

2. Bei Geschlechtsverkehr mit anderen ausländischen Arbeitern ist das Verhalten der Arbeitskräfte aus dem altsowjetrussischen Gebiet als schwere Disziplinwidrigkeit mit Einweisung in ein Konzentrationslager zu ahnden."

Diese Strafbestimmung ist durch Erlass des OKW vom 9.3.1943 und des CSSD vom 7.4.1943 auf Kriegsgefangene ausgedehnt worden.

 

Nach dem Runderlass des RFSSuChdDtPol im RMdI vom 7.12.1942 - S IV D Nr.505/42 g - 451 (ausl.Arb.) - "Gefahrenabwehr bei Ausländereinsatz" war die Sicherheitspolizei zur Abwehr derartiger Gefahren zuständig:

 

"I. Aufgabenstellung der Sicherheitspolizei

(1) ... Die sicherheitspolizeiliche Aufgabe beim Ausländereinsatz ist

a) ...

b) Abwehr der Gefahren für den rassischen Bestand des deutschen Volkes (Vermischung mit fremdem Blut, Unterwanderung usw.) ...

II. Sicherheitspolizeiliche Betrachtung des ausländischen Arbeiters.

1. ...

2. Politisch und volkspolitisch.

Die Abwehr der Gefahren für den rassischen Bestand des deutschen Volkes macht volkstumsmässige Unterscheidungen notwendig, da volkspolitische Gefahren nur von nicht-stammesgleichen Völkern drohen können. ..."

 

In einem Vermerk über seine Besprechung mit Himmler am 18.9.1942 hat der damalige Reichsjustizminister Thierack u.a. festgehalten:

 

1. Korrektur bei nicht genügenden Justizurteilen durch polizeiliche Sonderbehandlung ...