Justiz und NS-Verbrechen Bd.XX

Verfahren Nr.569 - 589 (1964 - 1965)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.579a LG Aurich 26.06.1964 JuNSV Bd.XX S.281

 

Lfd.Nr.579a    LG Aurich    26.06.1964    JuNSV Bd.XX S.309

 

Der jüdische Zeuge Me. (geboren am 15.Juli 1908) war gleich nach Beginn der Feindseligkeiten aus Sveksna geflüchtet. Als er am Vormittag des 28.Juni 1941 in die Stadt zurückkehrte, wurde er auf der Strasse von zwei SS-Leuten aufgegriffen und zur Synagoge geschleppt. Hier traf er Dr. Scheu. Dieser befahl den SS-Männern, ihn in den oberen Saal der Synagoge zu bringen, wo sich nur noch wenige Juden aufhielten, da die meisten schon abtransportiert waren. Hier wurde der Zeuge Me. von den SS-Männern fürchterlich zusammengeschlagen. Er wurde dann gegen Mittag mit einigen anderen Juden ebenfalls auf einen Lastkraftwagen verladen.

Die in Sveksna gefangenen Juden wurden noch an demselben Tage nach Heydekrug und von dort in verschiedene Arbeitslager im Kreisgebiet (wahrscheinlich Piktaten und Schillwen) gebracht.

 

Am Nachmittag des 28.Juni 1941 fand eine ähnliche Aktion in der ebenfalls nahe der Grenze gelegenen Ortschaft Vevirzeniai statt. Dr. Scheu liess durch seine SS-Männer und litauische Partisanen die männlichen Juden aus ihren Wohnungen holen und zum Marktplatz bringen. Auf dem Wege dorthin schlugen die SS-Leute wiederholt auf die Juden ein. Der Angeklagte Jagst zeichnete sich dabei durch besondere Brutalität aus. Auf dem Marktplatz wurden die Juden sofort auf die bereitstehenden Lastkraftwagen verladen und in Richtung Sveksna abtransportiert.

In Vevirzeniai wurden etwa 150 Juden festgenommen. Unter ihnen befand sich der Zeuge La. (geboren am 24.April 1914), der an sich in Naumiestis (Neustadt) wohnte, aber auf der Reise nach Garsden in Vevirzeniai vom Kriegsausbruch überrascht worden war und sich dort bis zu seiner Festnahme in einem Hotel aufgehalten hatte.

In Sveksna mussten die Juden von den Lastkraftwagen absteigen und auf dem Hof der Synagoge antreten, wo der Haufen mit den Kultgeräten und heiligen Büchern noch brannte. Hier nahmen die SS-Leute in Gegenwart von Dr. Scheu den Juden das Geld und die Wertsachen ab. Danach wurden die Juden wieder auf die Lastkraftwagen verladen und noch an demselben Abend nach Deutschland gebracht. Ein Teil der Juden aus Vevirzeniai, u.a. auch der Zeuge La., kam in eine Baracke auf den Hinterhof der Stadtverwaltung in Heydekrug, die übrigen kamen in ein anderes Arbeitslager.

 

Am Sonntag, dem 29.Juni 1941, erschienen Dr. Scheu und seine SS-Leute in der etwa 25 km östlich von Sveksna gelegenen Stadt Kvedarna. Ebenso wie in den anderen Orten holten SS-Männer und litauische Schaulisten die männlichen Juden aus ihren Wohnungen und brachten sie - oft unter Schlägen - zum Marktplatz.

Hier suchten die Angeklagten Dr. Scheu und Jagst die älteren Juden (ab 60 oder 70 Jahren) heraus. Das Schicksal dieser Männer hat das Schwurgericht nicht feststellen können. Die übrigen Juden wurden sofort auf die bereitgestellten Lastkraftwagen verladen und abtransportiert. Bei der Aktion in Kvedarna waren - zumindest zeitweise - auch der Angeklagte Struve und sein Fahrer, SS-Unterscharführer Arthur Meyer, anwesend. Einzelheiten ihres Verhaltens gegenüber den Juden haben sich nicht feststellen lassen.

Die SS nahm aus Kvedarna etwa 20 bis 50 Juden mit. Unter ihnen befand sich der Zeuge Y. (früher Ju.), der am 29.Juli 1928 geboren ist; er war mithin damals erst 13 Jahre alt. Ferner wurden der Zeuge Dr. (geboren im März 1903), der an sich in Rietavas wohnte, aber bei Kriegsausbruch zu seiner Mutter nach Kvedarna geflüchtet war, und der Zeuge J. (geboren am 13.Dezember 1925), der aus Vainutas stammte und sich gleichfalls als Flüchtling in der Stadt aufhielt, in Kvedarna festgenommen. Die Juden aus Kvedarna wurden noch an demselben Tage nach Heydekrug gebracht. Ein Teil von ihnen, darunter der Zeuge Dr., kam in die Baracke hinter der Stadtverwaltung, die übrigen Juden kamen in ein Barackenlager an der Jahnstrasse in der Nähe des Sziesze-Flusses; zu ihnen gehörten die Zeugen J. und Y.

 

Ebenfalls am Sonntag, dem 29.Juni 1941, fand eine gleiche Aktion in dem etwa 15 bis 20 km nordöstlich von Kvedarna gelegenen Ort Laukova statt. Dr. Scheu und seine SS-Leute erschienen dort am frühen Nachmittag. Die SS-Männer holten mit Hilfe der litauischen Schaulisten die männlichen Juden aus ihren Wohnungen und brachten sie zum Marktplatz. Vielfach wurden die Juden unterwegs misshandelt. Auf dem Marktplatz forderten die SS-Leute die Juden auf, alle Wertsachen, Streichhölzer und Zigaretten