Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXIV

Verfahren Nr.732 - 746 (1970 - 1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.734a LG Braunschweig 12.06.1970 JuNSV Bd.XXXIV S.297

 

Lfd.Nr.734a    LG Braunschweig    12.06.1970    JuNSV Bd.XXXIV S.308

 

Exekution der o.g. Häftlinge vom RSHA - Amt IV - genehmigt. Exekution sofort nach den gegebenen Bestimmungen vor angetretenen Häftlingen des dortigen Lagers unter Bekanntgabe des Strafgrundes durch Strang durchführen.

Protokolle hier vorlegen.

SS-WVHA - Chef D - Glücks"

 

Der Angeklagte hat dieses Fernschreiben erhalten und mit seinem Namenszeichen versehen. Der Anlass für die Hinrichtung Schwalkes ergibt sich aus einem damals im KL Gross-Rosen angefertigten Schreiben ohne Briefkopf und ohne Unterschrift:

 

"Der russische Schutzhäftling Nikolaus Schwalke, geb. am 15.12.1924 in Kisiele, wird auf Befehl des Reichsführers SS mit dem Tode durch den Strang verurteilt, weil er am 26.10.1944 bei der Rücküberstellung vom A.L. Breslau aus dem fahrenden Zug gesprungen ist und den Posten, der ihn verfolgte, mit einer Eisengabel anzugreifen versuchte."

 

Unter diesem mit einer Schreibmaschine geschriebenen Text sind handschriftlich zwei unleserliche Namen und sodann der Name "Schwalke" geschrieben worden mit dem Zusatz:

"am 2.12.1944 auf Befehl erhängt 14.15-14.30".

 

Anschliessend folgt der weitere handschriftliche Vermerk:

"Dreswjannikow am 24.11.1944 nach dem KL Buchenwald überstellt"

mit einer unleserlichen Unterschrift, die jedenfalls nicht vom Angeklagten stammt.

 

Nach dem Exekutionsprotokoll vom 2.12.1944 ist Schwalke an diesem Tage durch zwei Schutzhäftlinge erhängt worden. Er wurde zuvor über den Grund seiner Exekution belehrt. Das Exekutionsprotokoll ist vom Angeklagten abgezeichnet worden. Sodann ist vom KL Gross-Rosen an das RSHA in Berlin folgendes Fernschreiben gerichtet worden:

 

"Betrifft: Exekution des russ. Schutzhäftlings Nikolaus Schwalke, geb. 15.12.24 in Kisiele

Bezug: FS. d. SS-WVHA, Oranienburg, Nr.14485 v. 30.11.44

Die durch das RSiHA - Amt IV - genehmigte Exekution des o.a. wurde am 2.12.1944 befehlsgemäss durch Erhängen durchgeführt.

Kdt. Gr.Ro. Has."

 

Es ist unbekannt geblieben, weshalb Schwalke aus dem Arbeitslager Breslau in das Stammlager gebracht werden sollte, eine Massnahme, die grundsätzlich nur dann erfolgte, wenn der betreffende Häftling sich etwas hatte zuschulden kommen lassen. Der Angeklagte, gewohnt Befehle wortgetreu zu befolgen, hielt sich nicht für berechtigt, aufgrund der Anordnung vom 11.9.1944 gegen Schwalke vorzugehen, da diese Anordnung nur für Fluchtfälle aus einem Lager, nicht aber für Fluchtfälle aus einem Zug beim Transport von Lager zu Lager die Hinrichtung vorschrieb. Da darüberhinaus Schwalke den Posten angegriffen hatte, der seinerseits entgegen der Wachanweisung nicht sogleich nach dreimaligem Anruf auf ihn geschossen, sondern Schwalke verfolgt hatte, berichtete der Angeklagte über den Vorfall an das WVHA, ohne dabei einen Strafantrag zu stellen. Er ist dann jedoch vom WVHA aufgefordert worden, einen Exekutionsantrag nachzureichen, was er auch getan hat und auf den das WVHA in seinem Fernschreiben Bezug nimmt. Dabei wusste der Angeklagte, dass die Exekution genehmigt werden würde. In gleicher Weise und aus denselben Gründen wie im Tatkomplex A wusste der Angeklagte auch hier und auch in den nachstehend noch zu schildernden Taten C bis E, dass die jeweiligen Exekutionsanordnungen ein Verbrechen bezweckten und daher rechtswidrig waren, glaubte jedoch, diese Anordnungen befolgen zu müssen, obwohl er deren Unverbindlichkeit hätte erkennen können. Es bestand für ihn ebenso wie im Tatkomplex A und in den nachstehenden Fällen C bis E auch keinerlei wirkliche oder