Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLIX

Verfahren Nr.920 - 924 (2002 - 2012), 880 (Erratum), 950 - 959 (1945 - 1960; Nachtragsverfahren)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.924 LG München II 12.05.2011 JuNSV Bd.XLIX S.227

 

Lfd.Nr.924    LG München II    12.05.2011    JuNSV Bd.XLIX S.304

 

den dieser Einschätzung zugrunde liegenden Dokumenten räumlich und organisatorisch wie das Vernichtungslager Sobibor angelegt waren.

 

Beispielhaft hierfür ist die Aussage des Wachmannes Fedir Ryabeka vom 25.April 1961, wonach er während seiner Dienstzeit in allen drei Vernichtungslagern der "Aktion Reinhardt", also in Belzec, Treblinka und schliesslich im März 1943 für ca. zwei Wochen in Sobibor tätig gewesen sei. Er fasste die Stellung der Trawniki-Männer mit folgender Aussage zusammen:

"Der Dienst als Wachmann in den Todeslagern Treblinka und Sobibor bestand gerade darin, den reibungslosen Verlauf der massenweisen Vernichtungen der jüdischen Bevölkerung in den Gaskammern zu gewährleisten."

Auch Ryabeka bestätigt, dass die Hauptaufgabe der Wachmänner darin bestanden habe, das Lager und die Arbeitshäftlinge zu bewachen, wobei sie regelmässig auf verschiedenen Posten, etwa in den Wachtürmen, am Haupttor des Lagers und bei der Überwachung der "Arbeitsgruppe" eingesetzt gewesen seien. Bei der Ankunft eines Deportationszuges seien diejenigen, die nicht ohnehin bereits Dienst auf einem bestimmten Posten hatten, zugeteilt worden, die Wagen zu umkreisen, um Fluchten zu verhindern. Ferner sei die "Umkleide" und der Durchgang in die Gaskammer überwacht worden. Zwischen den Wachmännern habe es keine starre Pflichtverteilung gegeben.

 

e) Würdigung der Aussagen

 

Die Kammer hat keine Zweifel, dass in Anbetracht der meist hohen Frequenz der ankommenden Züge und der Vielzahl der deportierten Menschen für einen schnellen und möglichst widerstandsfreien Vernichtungsvorgang jeweils alle verfügbaren Aufsichts- und Bewachungskräfte, welche ohnehin zahlenmässig eine wesentlich geringere Stärke als die Gruppe der Arbeitshäftlinge und die jeweils zur Vernichtung deportierten Personen aufwiesen, jedenfalls bei Ankunft eines Deportationszuges zum Dienst eingesetzt waren. Es hätte für die deutschen Befehlshaber kein Grund dafür bestanden, während der Ankunft der Züge einzelnen Wachmännern oder möglicherweise sogar einem ganzen Wachzug dienstfrei zu geben und dadurch unnötigerweise das Risiko zu erhöhen, dass die verbliebenen Wachmänner einen etwaigen Widerstand nicht hinreichend effektiv bekämpfen hätten können.

 

Aus der Aussage des Nikolai Schalajew, der berichtete, dass er bei der Bewachung des Ghettos in Lublin von anderen Wachleuten erfahren habe, dass die Juden in das "Todeslager Sabibor" 148 gebracht würden, schliesst die Kammer, dass die Wachleute vom ersten Tag an, an dem sie im Lager Sobibor ankamen, wussten, dass dieses Lager keinem anderen Zweck diente als der Ermordung der dorthin transportierten Juden. Dies ergibt sich ebenso aus der Aussage des Zeugen Lac., wonach diese Tatsache in Trawniki allgemein bekannt gewesen sei. In den Ghettos in Polen war bekannt, wo die jüdischen Häftlinge hingebracht wurden, und dass sie dort getötet und verbrannt wurden; das wussten viele in der Umgebung der Vernichtungslager, und es wurde dementsprechend auch herum erzählt.

 

f) Wirtschaftliche Verwertung

 

Das Ausmass der wirtschaftlichen Ausbeutung der jüdischen Häftlinge ergibt sich aus dem eingeführten Bericht Globocniks vom 5.Januar 1944. Er deckt sich mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. P., wonach sich das wirtschaftliche Interesse an der Ausbeutung der Juden vor allem auf Devisen und Edelmetalle bezogen habe und kaum Interesse an der

 

148Sic!