Justiz und NS-Verbrechen Bd.XX

Verfahren Nr.569 - 589 (1964 - 1965)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.579a LG Aurich 26.06.1964 JuNSV Bd.XX S.281

 

Lfd.Nr.579a    LG Aurich    26.06.1964    JuNSV Bd.XX S.303

 

dass jemand entkam. Der An- und Rückmarschweg betrug zu den einzelnen Aktionen durchweg 160-200 km. Nur durch geschickte Ausnutzung der Zeit ist es gelungen, bis zu 5 Aktionen in einer Woche durchzuführen und dabei doch die in Kauen anfallende Arbeit so zu bewältigen, dass keine Stockung im Dienstbetrieb eingetreten ist.

Die Aktionen in Kauen selbst, wo genügend einigermassen ausgebildete Partisanen zur Verfügung stehen, kann als Paradeschiessen betrachtet werden, gegenüber den oft ungeheuerlichen Schwierigkeiten die ausserhalb zu bewältigen waren.

 

Sämtlicher Führer und Männer meines Kommandos in Kauen haben an den Grossaktionen in Kauen aktiv teilgenommen. Lediglich ein Beamter des Erkennungsdienstes war infolge Krankheit von der Teilnahme befreit.

 

Ich betrachte die Judenaktionen für das EK 3 in der Hauptsache als abgeschlossen. Die noch vorhandenen Arbeitsjuden und Jüdinnen werden dringend gebraucht und ich kann mir vorstellen, dass nach dem Winter diese Arbeitskräfte dringendst weiter gebraucht werden. Ich bin der Ansicht, dass sofort mit der Sterilisation der männlichen Arbeitsjuden begonnen wird, um eine Fortpflanzung zu verhindern. Wird trotzdem eine Jüdin schwanger, so ist sie zu liquidieren.

Eine der wichtigsten Aufgaben sah das EK 3, neben den Judenaktionen, in der Überprüfung der meist überfüllten Gefängnisse in den einzelnen Orten und Städten. Durchschnittlich sassen in jeder Kreisstadt an 600 Personen lit. Volkszugehörigkeit im Gefängnis ein, obwohl ein eigentlicher Haftgrund nicht vorlag. Sie wurden von Partisanen auf Grund einfacher Denunzierungen usw. festgenommen. Viele persönliche Rechnungen waren dabei beglichen worden. Kein Mensch hat sich um sie gekümmert. Man muss in den Gefängnissen gewesen sein und sich mal einen Moment in den überfüllten Zellen aufgehalten haben, die in hygienischer Beziehung oft jeder Beschreibung spotten. In Jonava - und das ist ein Beispiel für viele - sassen in einem düsteren Kellerraum von 3 m Länge, 3 m Breite und 1.65 m Höhe, 5 Wochen lang 16 Männer ein, die alle entlassen werden konnten, weil gegen sie nichts vorzubringen war. Mädchen im Alter von 13 bis 16 Jahren sind eingesperrt worden, weil sie sich, um Arbeit zu bekommen, um die Aufnahme in die kommunistische Jugend beworben hatten. Hier musste durch durchgreifende Massnahmen eine klare Richtung in die Köpfe der zuständigen litauischen Kreise hineingehämmert werden. Die Gefängnisinsassen wurden auf dem Gefängnishof aufgestellt und an Hand der Listen und Unterlagen überprüft. Diejenigen, die wegen harmloseren Vergehen grundlos eingesperrt waren, wurden zu einem besonderen Haufen zusammengestellt. Diejenigen, die wir aufgrund ihres Vergehens zu 1-3 und 6 Monaten verurteilten, wurden wieder gesondert aufgestellt, ebenso diejenigen, die zu liquidieren waren, wie Verbrecher, kommunistische Funktionäre, Politruks und anderes Gesindel. Zusätzlich zu der ausgesprochenen Strafe erhielt ein Teil, je nach dem Vergehen, im besonderen kommunistische Funktionäre, 10 bis 40 Peitschenhiebe, zudiktiert, die jeweils sofort ausgeteilt wurden. Nach Abschluss der Überprüfung wurden die Gefangenen in ihre Zellen zurückgeführt. Die Freizulassenden wurden im Zuge nach dem Marktplatz gebracht und dort nach einer kurzen Ansprache, in Gegenwart vieler Einwohner, freigelassen. Die Ansprache hatte folgenden Inhalt (sie wurde satzweise sofort von einem Dolmetscher litauisch und russisch übersetzt):

"Wenn wir Bolschewisten wären, hätten wir Euch erschossen, da wir aber Deutsche sind, geben wir Euch die Freiheit."

Dann folgte eine scharfe Ermahnung, sich jeder politischen Tätigkeit