Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLIX

Verfahren Nr.920 - 924 (2002 - 2012), 880 (Erratum), 950 - 959 (1945 - 1960; Nachtragsverfahren)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.924 LG München II 12.05.2011 JuNSV Bd.XLIX S.227

 

Lfd.Nr.924    LG München II    12.05.2011    JuNSV Bd.XLIX S.302

 

worden seien. Er wisse, dass im Lager Sobibor eine Gaskammer gewesen sei und es auch eine Schmalspurbahn gegeben habe, mit der die Leichen aus den Gaskammern zu den Rosten gefahren worden seien, wo man sie verbrannt habe. Ferner habe er selbst gesehen, dass Juden an der Bahnrampe geprügelt worden seien.

 

cc) Diese Schilderungen wurden bestätigt von Wlodzimierz Byczek am 19.Mai 1967, Jozef Cholewa am 18.Mai 1967, Wladyslaw Szubert am 11.Oktober 1978 und Jozef Brzozowski am 9.Oktober 1978, aus deren Aussagen ebenfalls jeweils hervorgeht, dass sie aus eigener Wahrnehmung oder durch Berichte von Mitgliedern der Trawniki-Wachmannschaften über die Vorgänge in Sobibor informiert gewesen seien.

 

Kararsyna Grodzicka berichtet in der Vernehmung vom 5.Oktober 1978 davon, dass die Wachmänner gelegentlich in ihren Wohnort Osowa, etwa fünf Kilometer von Sobibor entfernt, gekommen seien und an Tanzabenden teilgenommen hätten. Bei diesen Gelegenheiten habe man Berichte der Wachmänner über die Vorgänge im Vernichtungslager bekommen.

 

d) Zeugen aus dem Kreis der Trawniki-Männer

 

Auskunft über die Rolle der Wachmannschaften aus Trawniki beim Einsatz in allen drei Vernichtungslagern und insbesondere in Sobibor geben bei zusammenfassender Würdigung hinsichtlich der jeweils geschilderten Details auch die Angaben von ehemaligen Hilfswilligen in ihren Vernehmungen.

 

So beschrieben etwa Prokofij Businnij am 8.August 1975, Daniil Slyusar am 23.August 1949, Nikolaj Svyatelik am 26.Juni 1968, Anton Solonin am 27.Dezember 1947, 6.Januar 1948 und 1.Februar 1965 sowie Nikolaj Gontscharenko am 4.Mai 1949 und am 1.Juni 1949 übereinstimmend, dass sie jeweils als Wachmänner im Vernichtungslager Sobibor eingesetzt gewesen seien. Sie beschrieben in den einzelnen Details den Ablauf des Vernichtungsvorganges, wobei sich keine Diskrepanzen zu den Angaben anderer Beteiligter und den sachverständigen Ausführungen Dr. P.s ergaben.

 

aa) Zur Rolle der Wachmannschaften im Lagerbetrieb äusserte sich Prokofij Businnij dahingehend, dass bei der Ankunft eines Transportes mit Juden dieser sofort von einem Wachkommando umstellt worden sei, wobei die Wachmänner in einer "Umzingelungslinie" gestanden hätten. Dabei sei die Vorgehensweise immer die gleiche gewesen. Die Wachmänner hätten die Aufgabe gehabt, nicht zuzulassen, dass irgendjemand aus dem Transport flüchtet. Das Wachkommando sei immer von einem Oberwachmann geleitet worden, der seinerseits deutschen Offizieren unterstanden habe. Die Wachmänner hätten ständig Waffen mit sich geführt. Er, Businnij, sei während seines etwa einjährigen Aufenthalts in Sobibor die ganze Zeit bei der Aussenbewachung des Lagers tätig gewesen. Manchmal habe er auch ein Arbeitskommando überwacht und manchmal in der Umzingelung neben den ankommenden Judentransporten gestanden.

 

Obwohl es verboten gewesen sei, seien die Wachmänner gelegentlich heimlich ohne Genehmigung in die benachbarten Dörfer gegangen und zum Dienstbeginn wieder zurückgekehrt. In den Dörfern hätten sie Sachen der ermordeten Juden, die sie aus dem Magazin gestohlen hätten, gegen Spirituosen getauscht. Für unbefugtes Entfernen und vor allem für Diebstahl habe es Peitschenhiebe und Arrest gegeben. Er habe auch von der Flucht eines Wachmannes gehört, der nicht festgenommen worden sei.

 

Businnij gab ferner an, dass er die Visite Himmlers Anfang 1943 zwar nicht persönlich, wohl aber aus der Erzählung eines anderen Wachmannes mitbekommen habe. Himmler solle sich demnach im Lager umgeschaut und die Leichengruben inspiziert haben und daraufhin