Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXIV

Verfahren Nr.732 - 746 (1970 - 1971)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.734a LG Braunschweig 12.06.1970 JuNSV Bd.XXXIV S.297

 

Lfd.Nr.734a    LG Braunschweig    12.06.1970    JuNSV Bd.XXXIV S.302

 

Sparten des RSHA noch das Hauptamt Ordnungspolizei unter Daluege mit Schutzpolizei, Gendarmerie und Gemeindepolizei gehörte.

 

Im Stammlager und in den übrigen 50 bis 55 Aussenlagern, in denen sich nicht ausschliesslich Juden befanden, waren überwiegend Ukrainer, Russen, Polen und Tschechen, im Stammlager ferner etwa 300 bis 500 Deutsche, die im wesentlichen zu den Gruppen der Berufsverbrecher, der Asozialen und der Homosexuellen gehörten, untergebracht. Nur eine verschwindend geringe Zahl der deutschen Häftlinge war aus politischen oder religiösen Gründen dort inhaftiert. Das Stammlager sollte aus ungeklärten Gründen judenfrei bleiben, so dass sich dort kein Jude befand. Mehrere tausend Juden waren im Arbeitslager Riese eingesetzt. Dieses Mitte 1944 eingerichtete Arbeitslager bestand aus etwa 15 bis 20 Unterlagern, die über eine Fläche von etwa 30 km² im hügeligen und bewaldeten Gelände des Waldenburger Berglandes verteilt waren. Wegen der grossen Fläche des Arbeitslagers und wegen der Geländebeschaffenheit war dieses Lager nicht "KL-mässig" durch Drahtzäune und Wachttürme gesichert. Die Häftlinge wurden vorwiegend von Landesschützen bewacht, die schlecht bewaffnet und nicht mehr felddiensttauglich waren. Auf den über 100 Arbeitsstellen dieses Lagers wurde an einem unterirdischen Projekt gearbeitet, das unter höchster Geheimhaltungsstufe stand und angeblich ein weiteres Führerhauptquartier neben dem Projekt "S III" beim Truppenübungsplatz Ohrdruf in Thüringen werden sollte.

 

Der Angeklagte machte wöchentlich mindestens an 4 Tagen Inspektionsreisen zu einigen der zum KL Gross-Rosen gehörenden Aussenlager. Er kehrte regelmässig abends zum Stammlager zurück. Während seiner Abwesenheit führte ein Adjutant die Dienstgeschäfte. Auch das KL Gross-Rosen hatte die übliche Verwaltungsgliederung. Leiter der Abt.I war Obersturmführer Sutropp, der Abt.II Kriminalsekretär Treske, in der Abt.III war Obersturmführer Ernstberger Schutzhaftlagerführer und Unterscharführer Eschner 121 Rapportführer, die Abt.IV unterstand dem Obersturmführer Heinrich Maier, die Abt.V zunächst dem Hauptsturmführer Dr. Jobst und sodann dem Hauptsturmführer Dr. Entress. Der Angeklagte sah seine Hauptaufgabe in der ordnungsgemässen Unterbringung und Verpflegung der Häftlinge, damit diese voll arbeitseinsatzfähig waren, sowie in der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in den Lagern. Die Juden der von ihm übernommenen Arbeitslager waren zunächst darüber erschrocken, dass sie nunmehr zu einem KL gehörten. Sie wussten, dass sie von der damaligen Reichsführung als Schädlinge und Angehörige einer minderwertigen Rasse angesehen wurden, und fürchteten, dass sie deshalb in Konzentrationslagern getötet werden sollten. Diese Einstellung der Reichsführung fand u.a. ihren Niederschlag in dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.4.1933 (RGBl. I, 175), durch das jüdische Beamte in ihrer überwiegenden Zahl in den Ruhestand versetzt wurden, weiter in dem Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15.9.1935 (RGBl. I, 1146), in dem Reichsbürgergesetz vom 14.11.1935 (RGBl. I, 1333), sowie in der Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens vom 3.12.1938 (RGBl. I, 1709), nach der Juden keine Grundstücke und keine Rechte an Grundstücken erwerben durften, in der 11.Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25.11.1941 (RGBl. I, 722), nach der Juden nicht erbberechtigt waren und bei Auswanderung ihr Vermögen dem Deutschen Reich verfiel, in der 13.Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 1.7.1943 (RGBl. I, 372), nach der strafbare Handlungen von Juden durch die Polizei geahndet wurden und nach der die Polenstrafrechtsverordnung vom 4.12.1941 (RGBl. I, 759), die die Zuständigkeit von Gerichten aufrechterhalten hatte, auf Juden nicht mehr anzuwenden war, in dem offiziellen Auftrag Görings an Heydrich vom 31.7.1941, die Judenfrage zu lösen und nicht zuletzt in der Pflicht zum Tragen des Judensterns, in der Einrichtung von Ghettos und auch in der Rechtsprechung, z.B. in dem Beschluss des Grossen Senats des Reichsgerichts vom 9.12.1936 (RGSt. 70, 375), in dem der

 

121 Siehe Lfd.Nr.392.