Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLIX

Verfahren Nr.920 - 924 (2002 - 2012), 880 (Erratum), 950 - 959 (1945 - 1960; Nachtragsverfahren)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.924 LG München II 12.05.2011 JuNSV Bd.XLIX S.227

 

Lfd.Nr.924    LG München II    12.05.2011    JuNSV Bd.XLIX S.301

 

lang habe er als Putzer die Baracke der "Ukrainer" reinigen müssen. Er habe alle gekannt und erinnere sich noch an viele Namen. Der Name "Demjanjuk" sei ihm nicht erinnerlich. "Iwan" hätten viele geheissen. Auf Vorhalt mehrerer Fotos, darunter eines, das den Angeklagten zeigte, meinte er, dass ihm dieser bekannt erscheine, er aber keinen identifizieren könne. Die Ukrainer hätten sich an allen Vernichtungstätigkeiten gerade so wie die Deutschen beteiligt, wenn sie nicht gerade Wachdienst verrichtet hätten. Er könne sich erinnern, dass ein paar Monate nach seiner Ankunft mehrere Ukrainer nach Treblinka geschickt worden seien.

 

c) Zeugen aus der Umgebung des Lagers

 

Dass selbst ausserhalb des Lagers in dessen Umgebung bei den Menschen weitgehend der Lagerzweck bekannt war, ergibt sich aus den Aussagen polnischer Bewohner aus Sobibor und Umgebung.

 

aa) Jan Krzowski gab in seiner Vernehmung durch die Bezirkskommission zur Untersuchung von NS-Verbrechen in Lublin vom 7.August 1974 an, dass er etwa drei Kilometer von Sobibor entfernt im Dorf Zlobek Duzy gewohnt und bis Ende 1942 an der Bahnstation Sobibor gearbeitet habe.

 

Im Juli 1942 habe er den Ausbau des Lagers beobachten können. Das Gelände sei umzäunt und mit Stacheldraht abgesichert worden. Ferner seien Beobachtungstürme errichtet, Gruben ausgehoben und Bäume gerodet worden.

 

Bis etwa November 1943 habe er zusammen mit seinen Kollegen 106 Transporte mit Juden aus Polen, Holland und anderen europäischen Ländern gezählt, wobei in jedem dieser Transporte etwa 2000 bis 3000 Juden angekommen seien. Er habe aus der Entfernung noch beobachten können, dass die Juden aufgeteilt, entkleidet und in die "Badeanstalt" getrieben worden seien. Aus Erzählungen der von ihm so genannten "Wlassow-Leute" (gemeint: Hilfswillige aus Trawniki), die in deutschen Diensten gestanden hätten, habe er erfahren, dass die Juden etwa eine halbe Stunde lang mit Gas erstickt worden seien. Hierzu sei ein Verbrennungsmotor verwendet worden, dessen Arbeitsgeräusch die Schreie der Juden übertönt habe. Es seien dort jedoch immer mehr Menschen vernichtet worden und das Schreien dieser Menschen habe man trotz der Geräusche des laufenden Motors hören können. Aus den Gesprächen mit den "Wlassow-Leuten" habe er auch entnommen, dass die Menschenleichen verbrannt würden.

 

Die "Wlassows" hätten ihm auch gesagt, dass es von ihnen innerhalb des Lagers in Sobibor etwa 200 gäbe, während dort nur etwa 30 Deutsche seien. Zwischenzeitlich (wohl im Sommer 1942) sei es einmal zu einer Transportpause gekommen. Es sei ein furchtbarer Leichengestank entstanden gewesen, worüber ebenfalls die "Wlassow-Leute" berichtet hätten. Nach dieser Pause seien erneut Transporte nach Sobibor gekommen und man habe nun auch den Geruch von verbrannten Haaren, verbrannten Körpern und Knochen in der Umgebung zu spüren bekommen. Dieser Gestank sei sogar in Wlodawa, etwa acht Kilometer von Sobibor entfernt, festzustellen gewesen.

 

bb) Im Wesentlichen gleichlautend berichtete Jan Piwonski am 29.April 1975 über die Vorgänge in Sobibor.

 

Er sei als Weichensteller am Bahnhof Sobibor tätig gewesen und habe daher das Eintreffen der Transporte beobachten können. Neben den Deutschen seien auch ukrainische und russische Wachmänner tätig gewesen. Etwa ab Herbst 1942 habe man den Geruch verwesender Körper verspürt. Er habe von den "Wlassow-Leuten" aus deren Erzählungen in der Bahnkantine erfahren, dass aus Massengräbern Leichen herausgeholt und sodann auf Rosten verbrannt