Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLIX

Verfahren Nr.920 - 924 (2002 - 2012), 880 (Erratum), 950 - 959 (1945 - 1960; Nachtragsverfahren)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.924 LG München II 12.05.2011 JuNSV Bd.XLIX S.227

 

Lfd.Nr.924    LG München II    12.05.2011    JuNSV Bd.XLIX S.298

 

Itt. war nur wenige Monate in Sobibor. Auf eigenen Antrag hin wurde er in die Verwaltung der "Aktion T4" zurück versetzt. Gegen seine Versetzung nach Sobibor, worüber er wusste, dass dort Menschen vernichtet würden, habe er sich nicht gewehrt, weil man ihm zugesichert habe, dass er mit dieser Tätigkeit unmittelbar nichts zu tun haben würde. Er empfand bei der Vernehmung aber Schuldbewusstsein, weil ihm klar geworden sei, dass er das Glied einer Kette gebildet habe.

 

hh) Erich Lac. 147 schilderte in seiner Vernehmung vom 21.Juni 1961, er sei im Jahr 1943 von Trawniki nach Sobibor versetzt worden, wo er die ukrainischen Hilfswilligen habe beaufsichtigen sollen. Mit diesen habe er dort nicht viel Arbeit gehabt. Ihnen sei die Aufgabe zugefallen, das Lager zu bewachen, wobei in Abständen von 60 bis 70 Metern jeweils ein Posten aufgestellt worden sei. Hierbei habe es sich um die Aussenbewachung des Lagers gehandelt. Ausserdem seien die Hilfswilligen auch an verschiedenen Posten für die innere Sicherheit des Lagers eingesetzt worden. Es habe wohl auch Fluchten von Ukrainern gegeben, weil nicht alle Posten beobachtet werden hätten können.

 

Bereits bei seiner Abordnung von Trawniki nach Sobibor sei ihm die Funktion des Lagers Sobibor als Vernichtungslager bekannt gewesen. Der Umstand, dass Sobibor diese Funktion ausgeübt habe, sei in Trawniki allgemein bekannt gewesen.

 

Neben diesen Details schilderte Erich Lac. ebenfalls den Vernichtungsablauf in seinen wesentlichen Zügen, wobei er angab, dass etwa 50 bis 60 Personen in den einzelnen Gaskammern pro Vernichtungsvorgang umgekommen seien und die Verbrennung der Leichen zu einem "fürchterlichen" Gestank geführt habe.

 

b) Zeugen aus dem Kreis der Häftlinge

 

Die Angaben von Personen, die als Arbeitshäftlinge in Sobibor tätig sein mussten und diese Phase überlebt haben, bestätigen jeweils in Details die Darlegungen des Sachverständigen zu den Vorgängen im Vernichtungslager. Besonderes Gewicht kommt dabei den Zeugen Thomas Bla. und Philip Bia. zu, die in der Hauptverhandlung persönlich einvernommen werden konnten.

 

aa) Der nunmehr 84-jährige Zeuge Thomas Bla. gab an, dass er aus dem polnischen Izbica am 28.April 1943 zusammen mit seinen Eltern und seinem Bruder und weiteren etwa 200 Personen mit Lastkraftwagen in das Vernichtungslager Sobibor gebracht worden sei. Der Transport sei von Ukrainern begleitet worden.

 

Er, Bla., und die anderen deportierten polnischen Juden hätten gewusst, was sie in Sobibor erwarte. Es sei damals bereits das Vernichtungslager Belzec bekannt gewesen. Er habe sich seinerzeit aus jugendlicher Neugier nach Belzec begeben, um den Gerüchten über die dort stattfindende Tötung von Menschen nachzugehen und möglicherweise dann auch nach Ungarn zu fliehen. Im Ort Belzec sei das Feuer für die Leichenverbrennung im dortigen Vernichtungslager weithin sichtbar gewesen und es habe sich auch der extreme Geruch der Leichenverbrennung ausgebreitet. Trotz dieser Erkenntnisse sei er schliesslich bei seiner Familie geblieben.

 

Der erste optische Eindruck des Lagers Sobibor sei "schön" gewesen. Man habe Schilder und Wegweiser aufgestellt gehabt, offensichtlich um ahnungslose Deportierte zu täuschen. Der Ankunftsbereich habe einen gepflegten Eindruck gemacht.

 

147Siehe Lfd.Nr.642.