Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLIX

Verfahren Nr.920 - 924 (2002 - 2012), 880 (Erratum), 950 - 959 (1945 - 1960; Nachtragsverfahren)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.924 LG München II 12.05.2011 JuNSV Bd.XLIX S.227

 

Lfd.Nr.924    LG München II    12.05.2011    JuNSV Bd.XLIX S.296

 

bb) Diese Schilderungen entsprechen auch der Darstellung von Werner Dub. 141. Nach den Aussagen vom 11.April 1962 und vom 29.November 1962, war er von Juni oder Juli 1943 bis zum Aufstand am 14.Oktober 1943 im Lager Sobibor.

 

Er erzählte, dass er während seiner Tätigkeit im Vernichtungslager Sobibor im Jahr 1943 unter anderem das "Bahnhofskommando" beaufsichtigt habe. Bei Ankunft eines Transportzuges seien jeweils etwa zehn Güterwaggons gleichzeitig entladen worden. Die transportierten Juden seien in das "Lager II" geführt worden, wo ihnen gesagt worden sei, dass sie nichts zu befürchten hätten, weil es sich um ein "Umsiedlungslager" handle. Im "Lager II" hätten sich die Juden entkleiden müssen. Sodann seien sie durch den "Schlauch" in die Gaskammern des "Lagers III" geführt worden. Anschliessend sei der jeweils restliche Transport gleichermassen abgefertigt worden. Kranke oder gebrechliche Juden seien auf Loren verladen, ins "Lager III" transportiert und dort erschossen worden. Aushilfsweise habe er, Dub., auch ukrainische Hilfswillige beaufsichtigt.

 

Zur Zusammensetzung des Stammpersonals gab Dub. an, dass in höheren Positionen Leute tätig gewesen seien, die nicht der Waffen-SS angehört hätten, namentlich Wirth sowie Reichleitner und Stangl 142, beide Kommandanten des Ausbildungslagers Trawniki.

 

Ihm sei klar, dass in den Vernichtungslagern gemordet worden sei und er hierzu Beihilfe geleistet habe. Unabhängig von der Funktion im Lager seien alle in gleicher Weise schuldig. Insgesamt habe der Lagerbetrieb auf "einer Kette von Funktionen" beruht. Wäre nur ein Glied in dieser Kette entfallen, hätte der gesamte Betrieb gestockt. Sie seien im Rahmen der von der Reichsführung beschlossenen "Endlösung der Judenfrage" tätig geworden und hätten nicht den Mut gehabt, sich den Befehlen zu widersetzen.

 

cc) Kurt Bol. sagte in einer Vernehmung vom 21.Dezember 1961 aus, dass er als Aufseher eines jüdischen Arbeitskommandos in Sobibor stets im dortigen "Lager III" tätig gewesen sei. Dort seien die Juden vergast worden. Die im "Lager III" tätigen 80 bis 120 "Arbeitsjuden" seien dazu eingesetzt worden, die Gaskammern zu entleeren und die toten Juden in die Gruben zu transportieren.

 

Er habe auch die Aufsicht über den 3.Zug der ukrainischen Wachmannschaften gehabt, der nachts die Aussensicherung des Lagers übernommen habe. Dabei sei es allerdings zu einem jeweiligen Wechsel zwischen den einzelnen Zügen gekommen. Am Tag sei dieser Zug zu sämtlichen Lageraufgaben eingesetzt gewesen: Wachaufgaben, Entladen der Juden, Entkleiden und "wahrscheinlich" auch der Transport in die Gaskammern. Es sei keine feste Einteilung der einzelnen Züge erfolgt. Jeder Angehörige des Stammpersonals habe je nach Bedarf Leute von den ukrainischen Zugführern angefordert.

 

dd) Ohne relevante inhaltliche Abweichung zu den Angaben der übrigen SS- und Polizeileute schilderte auch Hubert G. 143 in den Vernehmungen vom 19. und 20.September 1961 den Aufbau des Vernichtungslagers Sobibor im Jahr 1942 sowie die Abwicklung der Vernichtung bei Ankunft der einzelnen Deportationszüge. Nach seiner Erinnerung seien in jeder einzelnen Gaskammer 60 bis 80 Personen vergast worden; pro Transport seien zwischen 1000 und 3000 Menschen angekommen, denen zunächst noch in einer Ansprache vorgegeben wurde, dass sie sich lediglich duschen sollten.

 

141Siehe Lfd.Nr.642.

142Siehe Lfd.Nr.746.

143Siehe Lfd.Nr.017, 233 und 885.