Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLIX

Verfahren Nr.920 - 924 (2002 - 2012), 880 (Erratum), 950 - 959 (1945 - 1960; Nachtragsverfahren)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.924 LG München II 12.05.2011 JuNSV Bd.XLIX S.227

 

Lfd.Nr.924    LG München II    12.05.2011    JuNSV Bd.XLIX S.292

 

denen zumindest eine notdürftige Wasser- und Notdurftversorgung enthalten gewesen sei, durchgeführt worden, weil den Opfern dieser Transporte ihr Schicksal in Sobibor möglichst lang verheimlicht und vielmehr vorgespiegelt werden sollte, dass es sich um Transporte zu Arbeitseinsätzen handle; hierdurch habe aufständisches Verhalten möglichst lange vermieden werden sollen. Dementsprechend sei es bei diesen Transporten trotz der längeren Fahrtzeit lediglich zu vereinzelten Todesfällen, etwa aufgrund altersbedingter Gebrechlichkeit, gekommen. Der prozentuale Anteil der Todesopfer während dieser Transporte habe schätzungsweise bei unter 1%, maximal bei 2% gelegen.

 

Konkrete Hinweise darauf, dass bei Zwischenhalten der Züge auf dem Weg nach Sobibor häufiger bereits Selektierungen für Zwangsarbeiten vorgenommen worden seien, gäbe es nicht. Im Hinblick darauf, dass solche Selektierungen bei der Ankunft in Sobibor bekannt seien, könnten Aussonderungen während des Transportes auch wegen des hohen organisatorischen und sicherheitstechnischen Aufwandes über etwaige Einzelfälle hinaus nicht angenommen werden.

 

c) Ablauf der Vernichtung

 

Die Feststellungen über die Vorgänge bei Ankunft eines Transports und die Vergasung der jüdischen Häftlinge 137 beruhen auf den Ausführungen des Sachverständigen Dr. P.

 

Die Leichen seien in den ersten Monaten in Massengräbern abgelegt worden, wobei nach dem derzeitigen archäologischen Erkenntnisstand sieben verschiedene Massengräber rekonstruiert werden hätten können, welche sich ebenfalls im Bereich des umzäunten "Lagers III" befunden hätten. Gegen Ende des Jahres 1942 habe sich die Lagerleitung entschlossen, die Leichen nicht mehr zu vergraben, sondern zu verbrennen. Zu diesem Zweck seien auch mit Baggern die bereits in Massengräbern abgelegten Leichen wieder exhumiert worden. Die jüdischen Arbeitskommandos hätten aus Stücken alter Eisenbahnschienen grosse Gitter als Roste legen müssen, auf denen in der Folge die Leichen verbrannt worden seien. Der Feuerschein der Verbrennungsgrube sei weithin sichtbar gewesen; der extreme Verbrennungsgeruch der Leichen habe sich über das gesamte Lagergelände gelegt.

 

d) Arbeitshäftlinge

 

Die jeweilige Gesamtzahl der jüdischen Arbeitshäftlinge habe sich von anfangs etwa 100 auf schliesslich 600 bis 700, möglicherweise zeitweise bis zu 1000 Personen erhöht, wobei angesichts der Vielzahl der Tötungen von Häftlingen die Gesamtzahl der insgesamt während der Existenz des Lagers als Arbeitskräfte eingesetzten Juden deutlich höher gelegen habe.

 

Die Feststellungen über die Zuteilung der Arbeitshäftlinge zu verschiedenen Aufgaben und deren Behandlung durch das Lagerpersonal 138 beruhen auf den Ausführungen des Sachverständigen Dr. P.

 

e) Ende des Lagers

 

Das Ende der "Aktion Reinhardt", den Aufstand der Häftlinge und das Ende des Lagers stellte der Sachverständige wie festgestellt dar 139. Er stützte sich dabei, ebenso wie schon

 

137 Siehe oben B IV 4 a, b Seite 242 ff.

138 Siehe oben B IV 5 Seite 245 f.

139 Siehe oben B IV 7 Seite 248.