Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam
Lfd.Nr.579a LG Aurich 26.06.1964 JuNSV Bd.XX S.292
illegalen Grenzgänger zu vernehmen und sie den Gerichten oder der Stapostelle Tilsit zuzuführen. Ausserdem bearbeitete sie auf Weisung der Stapostelle Tilsit auch innenpolitische Angelegenheiten; so führte sie bei Personen, die als Gegner des Nationalsozialismus angesehen wurden, Vernehmungen, Festnahmen und Durchsuchungen durch. Schliesslich erfüllte die Nebenstelle auch gewisse kriminalpolizeiliche Aufgaben (Zeitschriftenbeschlagnahme, Hotelkontrollen), weil es in Heydekrug keine Kriminalpolizei gab. Leiter der Nebenstelle war der Kriminalobersekretär Ba. (Zeuge), der aus der memelländischen Kriminalpolizei hervorgegangen und wahrscheinlich wegen seiner litauischen Sprachkenntnisse auf diesen Posten berufen worden war. Ba. litt unter den Folgen einer im ersten Weltkrieg erhaltenen Hirnverletzung und trug sich darum mit Pensionierungsgedanken.
Bei der Nebenstelle Heydekrug war bis zum Frühjahr 1942 auch der Angeklagte Bastian beschäftigt; er hatte dort im wesentlichen Schreibarbeiten zu erledigen. Der Zeuge R., der früher bei dieser Dienststelle beschäftigt war, gehörte ihr seit Januar 1940 nicht mehr an.
Der Grenzpolizeiposten Kolleschen an der Strasse von Heydekrug nach Naumiestis (Neustadt) war früher mit dem Kriminaloberassistenten Assmus als Postenführer und dem Kriminalassistenten Wilhelm Schmidt 71 (Zeuge) besetzt gewesen. Da Assmus schon vor Beginn des Russlandfeldzuges wegen Krankheit seinen Dienst aufgeben musste, war der Zeuge Wilhelm Schmidt bei Feldzugsbeginn allein in Kolleschen. Kurze Zeit danach erhielt er den Auftrag, unter den russischen Kriegsgefangenen in dem Kriegsgefangenenlager (Stalag) Matzicken bei Heydekrug die Juden und die politischen Kommissare herauszusuchen, die in Ausführung des sogenannten Kommissarbefehls erschossen werden sollten. Er behielt jedoch seine Wohnung in Kolleschen und kehrte täglich nach Dienstschluss dorthin zurück. Schmidt hatte den Angleichungsdienstgrad eines SS-Unterscharführers. Er war der Typ eines Strebers, der stets bemüht war, bei seinen Vorgesetzten gut aufzufallen. Schmidt war besonders diensteifrig und hielt engen Kontakt zu den bei der Stapo Tilsit beschäftigten Kriminalkommissaren. Der Angeklagte Bastian mochte ihn darum nicht leiden. Er fürchtete, dass Schmidt ihn bei seinen Vorgesetzten anschwärzen könnte.
Der Grenzpolizeiposten Laugszargen für den Strassen- und Eisenbahnübergang nach Tauroggen war mit dem Kriminalsekretär Schwarz als Postenführer und mehreren Männern besetzt. Ein Teil der Leute wurde später nach Tauroggen verlegt, weil die Eisenbahnkontrolle auf Wunsch der Wehrmacht in Tauroggen durchgeführt wurde.
Der Grenzpolizeiposten Schmalleningken für den Grenzübergang nach Georgenburg war mit dem damaligen Kriminaloberassistenten Carsten 72 als Postenführer und mehreren Männern besetzt.
Die Beamten der Staats- und Grenzpolizei führten mit ganz wenigen Ausnahmen (Zeugen Harms und Ba.) SS-Angleichungsdienstgrade und trugen - ebenso wie der SD - die graue Felduniform der Waffen-SS.
3. Der Sicherheitsdienst (SD)
Der Regierungsbezirk Gumbinnen bildete den SD-Abschnitt Tilsit, der wiederum zum SD-Oberabschnitt Königsberg gehörte. Der Sicherheitsdienst (SD) war im Gegensatz zur Gestapo eine reine Nachrichtenorganisation der NSDAP, deren hauptamtliche Mitarbeiter nicht Berufsbeamte, sondern Angestellte waren und vom Reichsschatzmeister der NSDAP bezahlt wurden. Exekutivbefugnisse, wie das Recht, Verhaftungen, Vernehmungen, Durchsuchungen oder Beschlagnahmen durchzuführen, hatte der SD nicht. Seine Aufgabe bestand vor allem darin, die Stimmung der einheimischen Bevölkerung zu erforschen. Der SD war dem Amt III des RSHA unmittelbar unterstellt (Amtschef bis zum Beginn des Russlandfeldzuges Ohlendorf, dann Schellenberg).
Leiter des SD-Abschnitts Tilsit war seit März 1941 der SS-Sturmbannführer Hersmann 73 (Zeuge). Seine Dienststelle bestand aus 18 bis 20 Mann und besass drei Personenkraftwagen, aber keine Lastkraftwagen.
In Heydekrug war nach dem Anschluss des Memellandes eine SD-Aussenstelle gebildet worden, deren ehrenamtlicher Leiter der Angestellte bei der Kreisbauernschaft und SS-Untersturmführer Max Walendy war.
Als dieser bei Kriegsausbruch zur Waffen-SS einberufen wurde, wurde die Stelle zunächst