Justiz und NS-Verbrechen Bd.XX

Verfahren Nr.569 - 589 (1964 - 1965)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.579a LG Aurich 26.06.1964 JuNSV Bd.XX S.281

 

Lfd.Nr.579a    LG Aurich    26.06.1964    JuNSV Bd.XX S.291

 

die für den ganzen Regierungsbezirk Gumbinnen zuständig war.

Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) war die Politische Polizei des Dritten Reiches und das wichtigste Instrument des Nationalsozialismus zur Unterdrückung seiner Gegner. Durch den Führererlass vom 17.Juni 1936 (RGBl. I S.487) war die gesamte deutsche Polizei dem Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei, Heinrich Himmler, unterstellt worden. Ihm unterstanden der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, SS-Gruppenführer (später Obergruppenführer) Heydrich, und der Chef der Ordnungspolizei, General Daluege. Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Heydrich, war Leiter des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA). Die Dienststellen der Gestapo waren dem Amt IV des RSHA (Amtschef: Heinrich Müller) unmittelbar unterstellt. Die Höheren SS- und Polizeiführer und die ihnen nachgeordneten Inspekteure der Sicherheitspolizei und des SD, die Himmler für jeden Wehrkreis bestellt hatte, hatten gegenüber der Gestapo nur die allgemeine Dienstaufsicht, aber keine Weisungsbefugnisse.

 

Leiter der Staatspolizeistelle Tilsit war von Oktober 1940 bis Oktober 1943 der Regierungsrat und SS-Sturmbannführer Böhme 65 (Zeuge). Sein Stellvertreter war bis Mitte Juli 1941 der Regierungsassessor und SS-Hauptsturmführer Ilges 66, dessen Machtbefugnisse jedoch gering waren, da Böhme ihn für ungeeignet hielt und ihm deshalb wenig Einfluss liess. Die rechte Hand des Zeugen Böhme und der Mann seines Vertrauens war vielmehr der Kriminalkommissar und SS-Obersturmführer Kreuzmann 67 (Zeuge).

 

Die Staatspolizeistelle Tilsit bestand aus drei Abteilungen:

  a. Abteilung I (Personalsachen, allgemeine Verwaltung, Kraftfahrwesen, Besoldung und Waffen) unter der Leitung des im Kriege vermissten Kriminalinspektors Fellenberg;

b. Abteilung II - Exekutivabteilung - (Beschäftigung mit den Gegnern des Nationalsozialismus - Juden, Freimaurer, Bibelforscher, Kirchen, Kommunisten, Sozialisten - sowie Überwachung der politischen Häftlinge und Fremdarbeiter) unter der Leitung des Kriminalkommissars Kreuzmann; dieser Abteilung gehörte auch der Kriminalkommissar Krumbach 68 an;

c. Abteilung III (Landesverrat, Spionageabwehr und Dienstaufsicht über die Grenzpolizeikommissariate Memel, Tilsit, Eydtkau und Sudauen) unter der Leitung des Kriminalkommissars Harms 69 (Zeuge), der zugleich Leiter des Grenzpolizeikommissariats Tilsit war.

Der Abteilung III wurde wenige Tage vor Beginn des Russlandfeldzuges auch der Kriminalkommissar auf Probe Gerke 70 (Zeuge) zugeteilt, der aber bald darauf den Sonderauftrag erhielt, in den Kriegsgefangenenlagern die Auswahl der Juden und der politischen Kommissare, die auf Grund des sogenannten "Kommissarbefehls" zu erschiessen waren, zu überwachen.

Die Stapostelle Tilsit hatte eine eigene Fernschreibanlage sowie eine Anzahl Personenkraftwagen; dagegen besass sie keine Lastkraftwagen.

 

Die damalige "Grenzpolizei" war eine Sonderformation grenznaher Staatspolizeistellen und deren Exekutivorgan zur sicherheitspolizeilichen Überwachung der Reichsgrenze. Ihre Aufgaben waren Passnachschau, Fahndung und Hinterlandüberwachung. Zur Unterstützung der zahlenmässig schwachen Grenzpolizeikräfte waren nach einer zwischen dem Reichsfinanzminister und dem Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei getroffenen Vereinbarung die Beamten des Zollgrenzschutzes auf Anforderung verpflichtet.

Leiter des Grenzpolizeikommissariats (GPK) Memel war der Kriminalkommissar und SS-Obersturmführer Dr. Frohwann, der später durch Selbstmord aus dem Leben schied, während das Grenzpolizeikommissariat Tilsit in Personalunion von dem Leiter der Abteilung III der Stapo Tilsit, Kriminalkommissar Harms geleitet wurde.

 

Dem Grenzpolizeikommissariat Tilsit unterstanden die Grenzpolizeinebenstellen Heydekrug und die folgenden drei Grenzpolizeiposten (GPP):

a. GPP Kolleschen für den Grenzübergang Naumiestis (Neustadt),

b. GPP Laugszargen für den Grenzübergang nach Tauroggen und

c. GPP Schmalleningken für den Grenzübergang nach Georgenburg.

Die Grenzpolizeinebenstelle Heydekrug, die den genannten Grenzpolizeiposten nicht über-, sondern gleichgeordnet war, hatte u.a. die vom Zollgrenzschutz aufgegriffenen

 

65 Siehe Lfd.Nr.465.

66 Siehe Lfd.Nr.444.

67 Siehe Lfd.Nr.465.

68 Siehe Lfd.Nr.521 und 547.

69 Siehe Lfd.Nr.465.

70 Siehe Lfd.Nr.521 und 547.