Justiz und NS-Verbrechen Bd.XX

Verfahren Nr.569 - 589 (1964 - 1965)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.579a LG Aurich 26.06.1964 JuNSV Bd.XX S.281

 

Lfd.Nr.579a    LG Aurich    26.06.1964    JuNSV Bd.XX S.287

 

er im August 1934 zum SS-Truppführer befördert. Im Dezember 1934 schied er freiwillig aus dem Dienst der Reit- und Fahrschule aus. Danach wurde er als Reitlehrer bei der 5. SS-Reiterstandarte in Pyritz (Pommern) zunächst im Angestelltenverhältnis und ab März 1935 als hauptamtlicher SS-Führer beschäftigt. Im Frühjahr 1936 wurde er als SS-Obersturmführer mit der SS-Reiterstandarte 62 5 beauftragt. Der Sitz der Standarte wurde später nach Stettin verlegt. Im November 1937 wurde Struve zum SS-Hauptsturmführer befördert. Wegen einer finanziellen Unregelmässigkeit wurde er im Jahre 1938 vorübergehend aus der SS ausgeschlossen. Nach mehrmonatiger Arbeitslosigkeit fand er eine Beschäftigung als Reitlehrer bei der Universität München.

 

Am 1.Juli 1939 wurde er wieder als hauptamtlicher SS-Hauptsturmführer in die SS übernommen und mit der Führung der 20. SS-Reiterstandarte in Tilsit beauftragt. Daraufhin zog er mit seiner Familie nach Tilsit um. Nach dem Polenfeldzug wurde er vorübergehend als Hauptmann der Schutzpolizei und Führer einer berittenen Einheit der SS-Totenkopfverbände in Ziechenau (damals Südostpreussen, früher Polen) eingesetzt. Welche Aufgaben diese Einheit hatte, hat das Schwurgericht nicht feststellen können. Vom Sommer 1940 an wurde er wieder als Führer der 20. SS-Reiterstandarte sowie als kommissarischer Führer mehrerer anderer ostpreussischer SS-Standarten und ab Frühjahr 1942 ausserdem als Leiter des Tournier- und Rennstalles des SS-Oberabschnitts Nordost in Königsberg verwendet. Er wurde im Januar 1942 zum SS-Sturmbannführer befördert und im Verlaufe des Krieges mit dem Kriegsverdienstkreuz I. und II. Klasse mit Schwertern ausgezeichnet. Im Herbst 1944 wurde Struve zum Ausbildungs- und Ersatzregiment einer SS-Kavalleriedivision der Waffen-SS einberufen, wo er zunächst mit dem Dienstgrad eines Oberscharführers und später als Hauptsturmführer und Leiter eines SS-Unterführerlehrgangs verwendet wurde. Ende März 1945 wurde er mit der Aufgabe, für die SS Pferde zu züchten, nach Norwegen versetzt. Hier geriet er im Mai 1945 in englische Kriegsgefangenschaft.

Wegen seiner SS-Zugehörigkeit wurde er im August 1945 in Zivilinternierung überführt. Nach längerem Aufenthalt in den Internierungslagern Staumühle, Regensburg und Darmstadt wurde er im Oktober 1948 entlassen, nachdem er im Spruchkammerverfahren als "Betroffener" in Gruppe III eingestuft und mit einer Geldbusse von 3000.- RM belegt worden war.

 

Nach seiner Entlassung verdiente sich Struve durch wechselnde, mehrmals durch längere Arbeitslosigkeit unterbrochene Beschäftigungen als Reitlehrer seinen Lebensunterhalt. Im Jahre 1958 hatte er in Berlin einen Reitunfall. Wegen der Verletzungen, die er hierbei erlitten hat, kann er seinen Beruf als Reitlehrer nicht mehr ausüben. Er erhält deshalb etwa 220.- DM Unfall- und Invalidenrente.

Der Angeklagte Struve ist seit dem Jahre 1928 verheiratet. Aus der Ehe sind drei Kinder (geboren 1921, 1928, 1935) hervorgegangen.

Der Angeklagte ist bisher nicht bestraft. Er wurde am 14.Juni 1960 festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.

 

3. Friedrich Jagst

 

Der Angeklagte Jagst wurde am 15.Juni 1907 in Tilsit (Ostpreussen) als Sohn des Zimmermanns Michael Jagst und seiner Ehefrau Anna geb. Mot. geboren. Er hat noch eine ältere Schwester. Bald nach seiner Geburt verzogen seine Eltern nach Heydekrug (Memel). Hier besuchte der Angeklagte die gehobene Bürgerschule (Volksschule). Nach seiner Schulentlassung im April 1921 war er etwa ein Jahr bei dem Rechtsanwalt und Notar Till in Heydekrug als Anwaltslehrling beschäftigt. Im Sommer 1922 trat er zum Landratsamt über und setzte dort seine Lehrzeit fort. Seit dem 1.April 1924 war er bei dem Landratsamt Heydekrug als Verwaltungsangestellter tätig. Im September 1934 wurde er - wahrscheinlich wegen seiner aktiven Betätigung in deutschen Sportvereinen und seiner Mitgliedschaft in der "Sozialistischen Volksgemeinschaft" - aus dem Dienst entlassen. Er erhob gegen die Entlassung Klage und erreichte im Jahre 1936 einen Vergleich. Danach wurde er unter Nachzahlung des halben Gehalts wieder in den Dienst des Landratsamtes übernommen und mit Wirkung vom 1.April 1935 zum Landesverwaltungsassistenten

 

62 Richtig wohl: ... mit der Führung der SS-Reiterstandarte.