Justiz und NS-Verbrechen Bd.XX

Verfahren Nr.569 - 589 (1964 - 1965)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.579a LG Aurich 26.06.1964 JuNSV Bd.XX S.281

 

Lfd.Nr.579a    LG Aurich    26.06.1964    JuNSV Bd.XX S.286

 

20.April 1939 in der SS vereidigt, zunächst als Oberscharführer übernommen und bald danach zum Untersturmführer befördert. Für seine Verdienste im Volkstumskampf wurde er mit der Memellandmedaille ausgezeichnet. Nachdem der Angeklagte im Mai 1939 der NSDAP beigetreten war, wurden ihm noch weitere Parteifunktionen und sonstige Ehrenämter übertragen (z.B. Ortsbauernführer von Adlig-Heydekrug, Hauptabteilungsleiter bei der Kreisbauernschaft Heydekrug, Hegeringleiter, stellvertretender Kreisjägermeister, Kreisreiterführer). Ausserdem war er im Vorstand mehrerer ländlicher Genossenschaften und im Aufsichtsrat der Raiffeisenbank, in der Landwacht, in der Feuerwehr und als Beisitzer in einem Pachtsenat des Oberlandesgerichts Königsberg tätig. Bei Kriegsausbruch wurde der Angeklagte zunächst uk-gestellt. Er wurde erst im Herbst 1944 zur Waffen-SS eingezogen. Nach dreimonatiger Grundausbildung in Breslau-Lissa kam er zur Frontbewährung zum 3. Panzergrenadierregiment der SS-Leibstandarte nach Ungarn, wo er verwundet wurde (Oberarmdurchschuss links) und an wolhynischem Fieber erkrankte. Nach Aufenthalten in den Lazaretten Rosenheim und Gera (Thüringen) geriet er im Frühjahr 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Im Lager Bad Kreuznach erkrankte er an Lungenentzündung, Lungenödem und Nierenbeckenentzündung. Er wurde deshalb in das Kriegsgefangenenlazarett in Bad Homburg verlegt und dort nach seiner Genesung im Frühjahr 1946 bis zur Auflösung des Lazaretts als Assistenz- und später als Oberarzt verwendet.

 

Der Angeklagte Dr. Scheu hat im August 1942 geheiratet; aus der Ehe sind zwei Söhne (geboren 1943 und 1945) hervorgegangen.

Seine Ehefrau war nach dem Kriege nach Friedrichsdorf bei Bad Homburg gezogen. Der Angeklagte liess sich nach der Auflösung des Lazaretts ebenfalls dort nieder und lebte zunächst vom Verkauf der zum Teil geretteten väterlichen Briefmarkensammlung. Im Jahre 1948 pachtete er ein Hausgrundstück auf der Nordseeinsel Borkum, um dort gemeinsam mit seiner Ehefrau, einer ausgebildeten Kinderschwester, ein Kinderheim zu betreiben. Später erwarb er das Haus durch einen Kauf auf Rentenbasis zu Eigentum. Dr. Scheu war ferner Hilfsarzt beim Gesundheitsamt Leer - Nebenstelle Borkum -, leitender Arzt des Kurmittelhauses und Chefarzt des Stadtkrankenhauses in Borkum. Der Angeklagte Dr. Scheu ist bisher nicht bestraft. Er wurde am 17.Mai 1960 festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.

 

2. Karl Struve

 

Der Angeklagte Struve wurde am 14.Juli 1902 in Köln als Sohn des Reichsbahnlademeisters Emil Struve und seiner Ehefrau Caroline geb. Ben. geboren. Er hat eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder sowie zwei Stiefgeschwister aus der ersten Ehe seines Vaters.

Der Angeklagte besuchte in Kassel, Bad Homburg und Obernheim im Taunus die Volksschule. Anschliessend begann er in Frankfurt(Main)-Eschersheim eine Mechanikerlehre, brach diese aber nach einiger Zeit ohne Prüfung ab. Anschliessend arbeitete er bei seinem Onkel in der Landwirtschaft. Er trat im Jahre 1919 in das Freikorps Hessen-Nassau ein, wurde dann in die Freiwillige Reichswehr und später in das Reichsheer übernommen. Im März 1921 nahm er an den Einsätzen der Reichswehr gegen die aufständigen Kommunisten in Suhl und Zella-Mehlis teil. Struve leistete seine Dienstzeit überwiegend beim Reiterregiment 16 in Kassel und Erfurt ab. Sein Schwadronschef Graf Rothkirch stellte seine reiterliche Veranlagung fest und veranlasste ihn, sich als Tournierreiter ausbilden zu lassen. Er kommandierte Struve auf die Dauer von zwei Jahren zur Kavallerieschule in Hannover ab, wo dieser die Hilfsreitlehrer- und die Reitlehrerprüfung bestand. Danach kehrte Struve zu seinem Regiment zurück und war dort als Reitlehrer tätig. Nach Besuch der Heeresfachschule und Ablegung der Heeresfachprüfung I schied er im September 1931 als Wachtmeister mit dem Zivilversorgungsschein aus der Reichswehr aus. Anfang 1932 wurde er als Bereiter bei der Wehrkreis-Reit- und Fahrschule in Parchim (Mecklenburg) im Angestelltenverhältnis angestellt. In seiner Freizeit erteilte er Reitunterricht für die Angehörigen der Offiziere und nach der "Machtübernahme" auch für SA- und SS-Führer. Diese schlugen ihm den Übertritt in die Reiter-SS vor. Daraufhin trat Struve im November 1933 als SS-Anwärter in die SS ein. Nach Durchlaufen der üblichen Laufbahn wurde