Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLIX

Verfahren Nr.920 - 924 (2002 - 2012), 880 (Erratum), 950 - 959 (1945 - 1960; Nachtragsverfahren)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.924 LG München II 12.05.2011 JuNSV Bd.XLIX S.227

 

Lfd.Nr.924    LG München II    12.05.2011    JuNSV Bd.XLIX S.274

 

Im Ausbildungslager Trawniki habe er einen Dienstausweis bekommen und sei dafür auch fotografiert worden. Ob und gegebenenfalls was er unterschrieben habe, wisse er nicht mehr, da er auch in der Schule Lesen und Schreiben nicht gelernt habe.

 

bb) Neben dieser unmittelbaren Schilderung des Zeugen Nag. beinhalten auch die verlesenen Protokolle von Vernehmungen anderer Wachmänner vergleichbare Darstellungen über die Zustände in den Kriegsgefangenenlagern und die hierdurch geförderte Bereitschaft, durch Arbeitsdienste für die Deutschen die eigene Situation zu verbessern. Sie schilderten ihre Gefangennahme und die Zustände in den Lagern Rowno und Chelm: Die Zustände seien unaushaltbar gewesen, Dysenterie sei grassiert; viele seien verhungert. Sie beschrieben auch die Auswahl von geeigneten Kriegsgefangenen zur Ausbildung in Trawniki durch deutsche Offiziere sowie teilweise auch das Registrierungsverfahren und die Ausbildung in Trawniki.

 

In diesem Sinne meist gleichlautend äusserten sich unter anderem

 

- Wasilij Orlowksij in der Vernehmung vom 27.September 1980: Er sei Ende Mai 1942 auf der Halbinsel Kertsch gefangen genommen worden, sei im Kriegsgefangenenlager Rowno gewesen und dort nach zwei Wochen von deutschen Offizieren zusammen mit 500 anderen ausgewählt und nach Trawniki gebracht worden.

 

- Aleksej Kolguschkin in der Vernehmung vom 24.September 1980: Er sei im Mai 1942 auf der Halbinsel Kertsch gefangen genommen worden. Im Gefangenenlager sei den Kranken und Verletzten keine Hilfe geleistet worden; man habe gegessen, was man gefunden habe. Die Gefangenen seien an Krankheit und Hunger gestorben. Im Juni oder Juli 1942 sei er von deutschen Offizieren zusammen mit 200 anderen im Kriegsgefangenenlager Rowno für Trawniki ausgesucht oder angeworben worden. Er habe gedacht, es gehe um irgendwelche Arbeiten.

 

- Georgij Skidan in der Vernehmung vom 26.Mai 1950: Im Lager Chelm seien etwa 75000 Gefangene gewesen. Es habe pro Tag 200 Gramm Brot und einen halben Liter Hirsesuppe gegeben; die Hälfte der Gefangenen sei an Hunger oder Krankheit gestorben.

 

- Nikolaj Kulak in den Vernehmungen vom 23.Dezember 1946 und 27.Februar 1947: Er sei vom Kriegsgefangenenlager Chelm im Oktober 1941 nach Trawniki gebracht worden. Ein deutscher Offizier habe körperlich kräftige Leute ausgesucht. Der Dolmetscher habe nach Alter und Geburtsort gefragt. Er habe sich freiwillig gemeldet, weil er nicht wie andere Kriegsgefangene im Kriegsgefangenenlager an Hunger oder Erschöpfung habe sterben wollen.

 

- Nurgalij Kabirow 118 in der Vernehmung vom 26.Mai 1960: Er sei am 25.Mai 1942 in Kertsch gefangen genommen worden. Einige Tage später sei er vom Kriegsgefangenenlager Rowno nach Trawniki gebracht worden. Die Bedingungen in Rowno seien unerträglich gewesen; viele Menschen seien an der Ruhr erkrankt und durch Verhungern gestorben. Die Deutschen hätten gefragt, ob er nach Deutschland zum Arbeiten wolle; damit hätten sich alle einverstanden erklärt, um aus diesen unerträglichen Bedingungen herauszukommen.

 

- Samuil Prischtsch in der Vernehmung vom 25.April 1961: Er habe sich im Kriegsgefangenenlager Chelm zur Arbeit gemeldet und sei nach Trawniki gebracht worden.

 

118 Schreibweise auch "Kabirov".