Justiz und NS-Verbrechen Bd.XXXVI

Verfahren Nr.758 - 767 (1971 - 1972)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.758 LG Kiel 02.08.1971 JuNSV Bd.XXXVI S.5

 

Lfd.Nr.758    LG Kiel    02.08.1971    JuNSV Bd.XXXVI S.27

 

7.) Im übrigen sind alle Häftlinge, die nicht der Polizei zu überstellen sind, auf freien Fuss zu setzen und von dieser beabsichtigten Massnahme vorher der zuständige Kreisstabsführer des Deutschen Volkssturms zu verständigen.

Im Falle unmittelbarer Gefahr sind Sie verpflichtet, im Sinne der obigen Richtlinien selbständige Entschliessungen zu treffen, sofern Sie nicht mehr in der Lage sind, meine Weisungen einzuholen. Ein Einvernehmen mit den Dienststellen der Polizei, Partei und Wehrmacht wird nach Möglichkeit herbeizuführen sein. Sie wollen sich insbesondere im Notfalle auch durch den Oberstaatsanwalt Ihres Bezirks beraten lassen.

Über Ihre Vorkehrungen bitte ich mir Bericht zu erstatten.

 

M.d.L.b.: Welz

Oberstaatsanwalt"

 

Eine weitere Verfügung des Generalstaatsanwalts in Linz an den Vorstand des Zuchthauses Garsten vom 2.5.1945 lässt sich näher zu dem Kreis der zu beurlaubenden Strafgefangenen ein und gibt insbesondere eine Motivation für die zu treffenden Massnahmen. Es heisst dort u.a.:

 

"Nicht zu beurlauben sind jedoch:

Ausländer und Protektoratsangehörige.

Die Rückkehr der Protektoratsangehörigen in ihre Heimat ist derzeit nicht möglich und wird von der deutschen Staatsregierung für Böhmen und Mähren nicht für wünschenswert erachtet.

Von der Beurlaubung sind vor allen Dingen ausgenommen, gemeine Verbrecher, asoziale und staatspolitisch gefährliche Gefangene, wie überhaupt alle Häftlinge, die bei ihrer Entlassung keine Unterkunft finden und nicht in geregelte Verhältnisse zurückkehren können und ihrer charakterlichen Veranlagung nach eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen; insbesondere der Versuchung unterliegen würden, zu stehlen, plündern und rauben, wenn sich im Falle einer Verschärfung der Lage hierzu die Gelegenheit bieten würde. Diese Gefangenen sind auch dann nicht zu beurlauben, wenn sie nur noch einen geringen Teil der Strafe zu verbüssen haben. - Ausländer oder Protektoratsangehörige, die im hiesigen Gau ansässig sind und jetzt noch an ihren Wohnort zurückkehren und Beschäftigung finden können, dürfen beurlaubt werden, wenn sie keine Gefahr für die Allgemeinheit bilden. - Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass jeder Beamte und jeder Häftling in der Anstalt bleibt, wenn der Feind Garsten besetzt. Es liegt nicht im Staatsinteresse, Verbrecher in die Freiheit zu setzen. Wenn der Feind dies tun würde, so würde er die Verantwortung tragen. -

Wegen der Behandlung solcher Verbrecher, die besonders gefährlich sind, ergeht für den Notfall eine besondere Anweisung."

 

Von Überstellungen an die Polizei und der Erschiessung solcher Häftlinge durch die Polizei ist aus dem Bezirk des Generalstaatsanwalts in Linz nichts näher bekannt geworden. Weitere Urkunden, die darüber Aufschluss geben konnten, lagen nicht vor.

 

In anderen Fällen ist die Erschiessung von Häftlingen bei Räumungen von Straf- und Untersuchungshaftanstalten bekannt geworden, ohne dass festgestellt werden kann, dass die vom Justizministerium an den Generalstaatsanwalt in Linz versandten Richtlinien Grundlage dieser Aktionen gewesen ist.

Als älteste Urkunde ist in diesem Zusammenhang ein als geheime Reichssache bezeichnetes Schreiben des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD für den Distrikt Radom vom