Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLIX

Verfahren Nr.920 - 924 (2002 - 2012), 880 (Erratum), 950 - 959 (1945 - 1960; Nachtragsverfahren)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.924 LG München II 12.05.2011 JuNSV Bd.XLIX S.227

 

Lfd.Nr.924    LG München II    12.05.2011    JuNSV Bd.XLIX S.263

 

Mitgegebene Verpflegung, wie üblich, pro Jude für 14 Tage.

 

I.A.: gez. Röthke - SS-Obersturmführer"

 

Das Fernschreiben vom 25.03.1943 beinhaltet bei im Übrigen gleicher Formulierung die Information über die Abfahrt des Transportzuges Nr.951 Richtung Lublin am 25.03.1943 um 10.30 Uhr.

 

Wie die Versendung von Gütern wurden Häftlingstransporte behandelt, wie sich aus einem Frachtbrief-Doppel ergibt, das von "5 G [= Güterwagen] Häftlinge" sprach und ein "wirkl. Rohgewicht" von 25.000 kg auswies. Absender war das "Bekleidungswerk der Waffen-SS" in Lublin, der Adressat "SS-Sonderkommando Sobibor".

 

Diese Dokumente belegen exemplarisch die Befassung diverser Institutionen im Generalgouvernement und auch im Reich mit der Planung und Umsetzung zunächst der Vertreibungs- und schliesslich der Vernichtungspläne.

 

In einem Schreiben vom 4.November 1943 teilte Globocnik Himmler in Berlin mit, dass er "mit 19.10.1943 die "Aktion Reinhardt", die ich im Generalgouvernement durchgeführt habe, abgeschlossen und alle Lager aufgelöst" habe.

 

5. Sachverständiger Dr. P.: Vermengung von Staat und Partei

 

Nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. spiegelt sich in der organisatorischen Umsetzung dieses Vernichtungsprogramms der grundlegende ideologische Ansatz des nationalsozialistischen Regimes beim Verständnis der Herrschaftsstrukturen im Dritten Reich wider.

 

Nach der NS-Ideologie habe Adolf Hitler als "Führer" und Reichskanzler in Personalunion sowohl die zentrale Position bei der Umsetzung weltanschaulicher Vorstellungen als auch die führende staatspolitische Funktion in sich vereint. Dementsprechend seien ihm sowohl die ideologisch relevanten Parteistrukturen der NSDAP und ihrer einzelnen Gruppierungen als auch die Behördenstrukturen des Deutschen Reichs als Staatsgebilde nachgeordnet gewesen, so dass er hierdurch die weltanschauliche "Führergewalt" und zugleich die formal-politische "Staatsgewalt" ausgeübt habe, wobei es jedoch bald zu Verflechtungen zwischen staatlichen und parteilichen Institutionen und Gruppierungen gekommen sei.

 

Bereits im Jahr 1936 habe es so eine Vermengung der 1934 aus der SA ausgegliederten SS als Parteiorganisation der NSDAP und den Institutionen der staatlichen Polizei gegeben, wobei insbesondere aus letzterer die politische Polizei herausgelöst und der SS-Führung unterstellt worden sei. Nach der Ernennung Heinrich Himmlers zum "Reichsführer-SS und Chef der deutschen Polizei" im Jahr 1936 seien nach und nach (staats-)polizeiliche Aufgaben in der SS vereint worden, wodurch eine Ideologisierung der Polizei erreicht worden sei und nunmehr die SS als "ideologische polizeiliche Speerspitze" fungieren habe können. Die Parteiorganisation habe so Exekutivfunktionen ausüben können und zudem über die finanzielle Ausstattung der formal-staatlichen Polizei direkt staatliche Finanzierung erlangt.

 

Organisatorisch habe sich diese Entwicklung darin gezeigt, dass die Strukturen der staatlichen Polizei und der SS im Reichssicherheitshauptamt gebündelt und vereinigt wurden, was der Sachverständige noch näher erläuterte.

 

Himmler seien die Höheren SS- und Polizeiführer und diesen wiederum die SS- und Polizeiführer nachgeordnet gewesen und hätten in diesen Positionen die Leitungsbefugnis sowohl für die jeweiligen SS-Einheiten als auch für die staatspolizeilichen Einheiten ausgeübt. Parallel