Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLIX

Verfahren Nr.920 - 924 (2002 - 2012), 880 (Erratum), 950 - 959 (1945 - 1960; Nachtragsverfahren)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.924 LG München II 12.05.2011 JuNSV Bd.XLIX S.227

 

Lfd.Nr.924    LG München II    12.05.2011    JuNSV Bd.XLIX S.245

 

Als Globocnik vom 104 5.Januar 1944 Himmler über die wirtschaftliche Abwicklung der "Aktion Reinhardt" berichtete, schätzte er den Gesamtwert der bis 3.Februar 1943 angefallenen Gegenstände (Geld, Wertgegenstände, Kleidung u.s.w.) "bei Ansatz von Mindestwerten" auf 180 Millionen Reichsmark.

 

5. Die jüdischen Arbeitshäftlinge

 

Im Lager waren rund 600 Arbeitshäftlinge tätig, die man aus den ankommenden Transporten ausgesondert hatte.

 

Die Häftlinge waren Gruppen zugeteilt, die jeweils für bestimmte Arbeitsbereiche zuständig waren: Die Sortiergruppe sortierte im "Lager II" die von den Juden ausgezogene Kleidung und musste diese auch nach versteckten Wertgegenständen durchsuchen; hier arbeiteten viele Frauen.

 

Das "Bahnhofskommando" bestand aus einer Gruppe von 20 Leuten. Sie hatten eine Uniform-ähnliche Kleidung mit Kappen mit einem aufgenähten "B". Es waren starke Leute. Ein Arbeitskommando war für Ausräumen der Waggons zuständig. Ein weiteres Arbeitskommando erneuerte die Zweige, die in die Stacheldrahtzäune als Sichtschutz eingeflochten waren.

 

Einzelne Häftlinge mit besonderen handwerklichen Fähigkeiten arbeiteten in Werkstätten als Koch, Schuster, Schneider, sogar Goldschmied oder ähnliches. Sie hatten die Aufgabe, taugliche Kleidungs- und Schmuckstücke für die SS- und Polizeikräfte umzuarbeiten, die diese dann selbst nutzten oder nach Hause zu ihren Familien sandten.

 

Ausserhalb des Lagers war das "Waldkommando" tätig, welches das für die Verbrennung der Leichen benötigte Holz beschaffen musste. Ein Aussenkommando musste in dem nahen Wlodawa Häuser abbrechen. Deren Ziegel wurden für den Aufbau von Baracken im geplanten "Lager IV" benutzt. Wenn ein Transport ankam, wurden alle anderen Arbeiten eingestellt. Sämtliche Häftlinge waren dann im Lager; ebenso auch die Aussenkommandos samt deren Bewachung.

 

Je nach Zahl der ankommenden Transporte arbeiteten 80 bis 300 Arbeitshäftlinge im sog. "Sonderkommando", das die Juden in die Gaskammern schob, die Toten aus den Gaskammern herausholte, durchsuchte und verbrannte. Diese Häftlinge wohnten ausschliesslich im "Lager III" und hatten keinen Kontakt zu anderen Arbeitshäftlingen. Von diesen Häftlingen hat keiner den Lagerbetrieb überlebt.

 

Die Arbeitshäftlinge, die mit den neu Angekommenen in Kontakt kamen, durften diesen unter keinen Umständen irgendetwas über ihr künftiges Schicksal verraten. Kam dies auf, wurde der Häftling sofort mit in die Gaskammer geschickt oder erschossen.

 

Die Arbeitshäftlinge bekamen am Morgen Ersatzkaffee und am Abend ein Stück Brot. Dies reichte vielen kaum, um die harte Arbeit zu bewältigen, so dass sie an Erschöpfung und Unterernährung starben. Zudem waren sie nahezu täglich den Schikanen und Misshandlungen der Lagerfunktionäre und -bewacher ausgesetzt. Häftlinge wurden aus nichtigen Anlässen schwer misshandelt oder sofort ermordet. Die deutschen Lagerfunktionäre trugen Peitschen, einige wie Frenzel 105 und Bol. waren berüchtigt dafür, dass sie wahllos Morde an Häftlingen

 

104Gemeint ist wohl: am.

105Siehe Lfd.Nr.642 und 897.