Justiz und NS-Verbrechen Bd.XLIX

Verfahren Nr.920 - 924 (2002 - 2012), 880 (Erratum), 950 - 959 (1945 - 1960; Nachtragsverfahren)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.924 LG München II 12.05.2011 JuNSV Bd.XLIX S.227

 

Lfd.Nr.924    LG München II    12.05.2011    JuNSV Bd.XLIX S.231

 

Die polizeiliche Gewalt lag in den Händen des "Höheren SS- und Polizeiführers 94 Ost" Friedrich Wilhelm Krüger, dem - entsprechend der Distriktsgliederung - jeweils SS- und Polizeiführer 95 unterstanden. Formal war der HSSPF dem Generalgouverneur unterstellt; tatsächlich erhielt er seine Weisungen unmittelbar vom RSHA. Krüger war gleichzeitig Staatssekretär für Sicherheitswesen in der Regierung des Generalgouvernements.

 

Der reguläre Befehlsweg ging vom RSHA über den Befehlshaber der Sicherheitskräfte (BdS) des Generalgouvernements an die einzelnen Kommandeure der Sicherheitskräfte (KdS) in den jeweiligen Distrikten und von dort an die KdS-Aussenstellen.

 

Es verblieb eine polnische Gerichtsbarkeit für Straftaten von Polen gegen Polen, soweit es sich nicht um besondere Fälle handelte, worüber die zuerst mit der Sache befasste Staatsanwaltschaft entschied.

 

Mit dem Überfall auf Polen gerieten weitere zwei Millionen Juden unter deutsche Herrschaft. Diese wurden von Anfang an noch schlechter behandelt als die Juden im Reich. Sie mussten schon ab 1939 den Davidstern tragen. Männer wurden zu schwersten Zwangsarbeiten verpflichtet, wofür Zwangsarbeitslager eingerichtet wurden. 1940 lebten noch etwa 1,5 Mio. Juden im Gebiet des Generalgouvernements.

 

Schon 1939 begann die Verwaltung mit der Einrichtung von Ghettos, also abgesonderten Stadtvierteln für Juden. Im Herbst 1940 folgte die Einrichtung der grossen Ghettos in Warschau und Krakau. Bis Anfang 1941 waren alle Juden im Generalgouvernement in Ghettos zusammen gefasst.

 

Die Ghettoisierung diente der Beraubung der Juden, die ihre Immobilien und das meiste Eigentum zurücklassen mussten. Die Juden waren so auch leichter für Abtransporte verfügbar. Die Ghettoisierung führte zur völligen Verelendung des grössten Teils der jüdischen Minderheit und wurde wegen der unzureichenden Versorgung als Mittel zur allmählichen Vernichtung der Juden angesehen. Bis zum Frühjahr 1941 starben in den Ghettos Zehntausende von Menschen.

 

4. Überfall auf die Sowjetunion

 

Am 22.Juni 1941 begann die Wehrmacht den Angriff auf die Sowjetunion. Der Feldzug war zunächst von militärischen Anfangserfolgen mit erheblichen Geländegewinnen geprägt. Dabei nahm die Wehrmacht bis Ende 1941 rund 3,5 Millionen Soldaten gefangen.

 

Die Reichsführung hatte bereits vor Beginn des Angriffs Befehle gegeben, dass die völkerrechtlichen Regeln über die Behandlung von Kriegsgefangenen auf sowjetische Soldaten nicht angewendet werden durften. In den entsprechend umgesetzten Wehrmachtsbefehlen wurden die Soldaten der Sowjetunion als "bolschewistische Soldaten" bezeichnet, die "jeden Anspruch auf Behandlung als ehrenhafter Soldat und nach dem Genfer Abkommen verloren" hätten.

 

Die Lager waren deshalb, und auch wegen der aus den Kesselschlachten kommenden riesigen Zahlen von Gefangenen, unzureichend und völlig überfüllt. Ein grosser Teil der Gefangenen hauste unter freiem Himmel, in Zelten oder in Erdlöchern. Auch die Verpflegung war miserabel. Ab Ende Oktober 1941 wurden die Rationen für solche Gefangene, die man als arbeitsunfähig

 

94 Im folgenden "HSSPF".

95 Im folgenden "SSPF".