Justiz und NS-Verbrechen Bd.I

Verfahren Nr.001 - 034 (1945 - 1947)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

 

Lfd.Nr.013c LG Kiel 08.10.1954 JuNSV Bd.I S.217

 

Lfd.Nr.013c    LG Kiel    08.10.1954    JuNSV Bd.I S.217

 

2 KLs 2/45

 

Beschluss

 

 

In der Strafsache gegen

 

1. den ehemaligen Matrosenobergefreiten Hay., geboren am 5.August 1923 in Niederkunnersdorf, Kreis Löbau, zuletzt wohnhaft in Oschatz, zur Zeit unbekannten Aufenthalts,

2. den ehemaligen Matrosen F., geboren am 8.Oktober 1924 in Sprottau, verh., zuletzt wohnhaft in Zeitz, zur Zeit unbekannten Aufenthalts,

 

wegen Totschlags

 

wird das Verfahren auf Kosten der Staatskasse eingestellt.

 

 

GRÜNDE57

 

Die Angeklagten Hay. und F. werden beschuldigt am 4.Mai 1945 an Bord des unter der Reichsdienstflagge für das Kriegsmarinearsenal Kiel fahrenden Tankers "Adria", der zur Tatzeit auf der Reede vor Laboe vor Anker lag, gemeinschaftlich mit dem als Bordflakführer eingesetzten Bootsmann W., den leitenden Ingenieur des Schiffes Roos getötet zu haben. Nach dem bisherigen Ergebnis des Verfahrens haben die Angeklagten dabei als Soldaten auf Befehl des W., der durch Urteil der II. Strafkammer des Landgerichts in Kiel vom 3.Januar 1947 rechtskräftig zu einer Gefängnisstrafe von sechs Jahren verurteilt worden ist, gehandelt. Nach Mitteilung der Ehefrau F. vom 20.September 1951 sind ihr Ehemann, der Angeklagte F., und der Angeklagte Hay. im Jahre 1951 wegen der vorgenannten Tat in Leipzig zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt worden 58. Wenn insoweit eine rechtskräftige Verurteilung vorliegt, würde das Verfahren auf Grund des Art.103 Abs.III GG (ne bis in idem) einzustellen sein.

 

Die Kammer hat jedoch insoweit eine weitere Aufklärung nicht für erforderlich gehalten, da das Verfahren, auch wenn wegen der vorgenannten Tat keine rechtskräftige Aburteilung erfolgt sein sollte, auf Grund des §6 des Straffreiheitsgesetzes vom 17.Juli 1954 einzustellen sein würde, da die Tat während des Zusammenbruchs begangen ist, eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren nicht zu erwarten sein würde und den Angeklagten nach ihrer Stellung als Soldat und ihrer Einsichtsfähigkeit nicht zuzumuten war, die Tat zu unterlassen. Es war daher, wie geschehen, zu beschliessen.

 

Kiel, den 8.Oktober 1954.

 

Das Landgericht, III. grosse Strafkammer.

 

 

 

57 F. und Hay. wurden wegen des hier erörterten Sachverhalts durch Urteil des LG Kiel vom 12.12.1945 freigesprochen. Dieses Urteil wurde jedoch am 21.3.1946 vom OLG Kiel aufgehoben. Das Verfahren gegen F. und Hay. wurde sodann von dem Verfahren gegen W. (siehe Lfd.Nr.013a) abgetrennt.

58 Siehe Verfahren Nr.1211, veröffentlicht in der Urteilssammlung DDR-Justiz und NS-Verbrechen Bd.V S.161 ff. Ha. in Nr.1211 ist identisch mit Hay. in diesem Beschluss Nr.013c.