Justiz und NS-Verbrechen Bd.I

Verfahren Nr.001 - 034 (1945 - 1947)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

 

Lfd.Nr.013b OLG Kiel 21.03.1946 JuNSV Bd.I S.215

 

Lfd.Nr.013b    OLG Kiel    21.03.1946    JuNSV Bd.I S.215

 

Ss 28/46

 

Im Namen des Rechts

 

 

Strafsache gegen

 

1. den Bootsmann W. vom Tanker "Adria", geboren am 5.Dezember 1899 in Weissenhorn (Bayern) verheiratet,

2. den Matrosenobergefreiten Hay., daselbst, geboren am 5.August 1923 in Niederkunnersdorf, Kreis Löbau, ledig,

3. den Matrosen F., daselbst, geboren am 8.Oktober 1924 in Sprottau, Niederschlesien,

z.Zt. sämtlich in Untersuchungshaft in der Untersuchungshaftanstalt in Kiel,

 

wegen Totschlages.

 

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil der 2. Strafkammer des Landgerichts in Kiel vom 11.Dezember 1945 55 hat der Strafsenat des Oberlandesgerichts in Kiel in der Sitzung vom 21.März 1946 für Recht erkannt:

 

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der 2. Strafkammer des Landgerichts in Kiel vom 11.Dezember 1945 56 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben, und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revisionsinstanz an das Landgericht zurückverwiesen.

 

 

GRÜNDE

 

Durch das angefochtene Urteil ist der Angeklagte W. für schuldig befunden, am 4.Mai 1945 einen Menschen vorsätzlich getötet zu haben, ohne Mörder zu sein und deshalb unter Bejahung der strafmildernden Voraussetzungen des §213 StGB zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die beiden Angeklagten Hay. und F. sind von der Anklage vorsätzlicher Tötung freigesprochen. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft am 14.Dezember 1945 Revision eingelegt. Das Urteil wurde ihr am 8.Januar 1946 zugestellt. Am 10.Januar 1946 ist die Revisionsbegründung eingegangen. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts.

 

Die Revision ist in den gesetzlichen Formen und Fristen eingelegt und begründet worden und auch sachlich gerechtfertigt.

 

Nach dem Erlass des angefochtenen Urteils und zwar unter dem 20.Dezember 1945 ist das Gesetz des Kontrollrats Nr.10 über die Bestrafung von Personen, die sich Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben, in Geltung getreten. Insoweit umfasst es mit rückwirkender Kraft - den Grundsatz im §2 StGB durchbrechend - nach Art.II 1c auch Verbrechen der hier zur Anklage stehenden Art und begreift, wie aus Art.III 1d hervorgeht, auch Verbrechen mit ein, die von deutschen Staatsangehörigen an deutschen Staatsangehörigen begangen worden sind.

 

Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben.

 

55 Laut Urschrift jenes Urteils richtig: 12.Dezember 1945.

56 Laut Urschrift jenes Urteils richtig: 12.Dezember 1945.