Justiz und NS-Verbrechen Bd.I

Verfahren Nr.001 - 034 (1945 - 1947)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

 

Lfd.Nr.013a LG Kiel 03.01.1947 JuNSV Bd.I S.209

 

Lfd.Nr.013a    LG Kiel    03.01.1947    JuNSV Bd.I S.210

 

Im Jahre 1935 wurde der Angeklagte auf Veranlassung seines Reeders, Staatsrat Essberger, zum Stützpunktleiter auf dem Frachter "Karin" bestimmt und trat in Verbindung damit in die NSDAP ein. Er war ein überzeugter Nationalsozialist und machte aus seiner Einstellung keinen Hehl. Er zeigte sich jedoch politisch anders Denkenden gegenüber nicht gehässig, sondern besprach mit ihnen in Ruhe die Angelegenheit, wenn sie nach seiner Ansicht nicht richtig gehandelt hatten, wie dies einmal gegenüber dem Koch Scholz der Fall gewesen ist, der Feindsender abgehört und hierüber mit Flaksoldaten gesprochen hatte.

 

Von seinem Kompaniechef und den übrigen zur Besatzung gehörigen Zeugen wird ihm ein denkbar gutes Zeugnis ausgestellt. Charakterlich wird er als ehrlicher, zuverlässiger und anständiger Mann beurteilt. Der Angeklagte war ein ehrgeiziger Soldat, der streng, aber gerecht im Dienst war und auch ausserdienstlich sich um die Fürsorge für seine Leute bemühte, der vor allem jederzeit bestrebt war, seinen Leuten Vorbild zu sein.

 

Am 3. Mai 1945 lag der 6300 to grosse Tanker "Adria" mit einer Ölladung auf der Reede vor Laboe. Das Schiff fuhr unter Reichsdienstflagge für das Kriegsmarinearsenal Kiel. An Bord befand sich eine Bordflakeinheit in Stärke von 72 Mann unter dem Kommando des Angeklagten. Infolge des Vorrückens der Engländer auf Kiel herrschte an diesem Tage ein ziemlich starkes Durcheinander. An Land wurde Munition gesprengt oder verschossen, es erfolgten englische Luftangriffe, einige Schiffe, die gleichfalls vor Laboe lagen, warfen ihre Flakwaffen über Bord. Im Laufe des Vormittags erhielt der Angeklagte von der Kompanie den Befehl, dass bis 13 Uhr alle Waffen zu vernichten seien, nur 10 Gewehre sollten zurückbehalten werden. Der Angeklagte gab dies seinen Leuten bekannt und brachte dabei zum Ausdruck, dass sie mit einem Einsatz an Land rechnen müssten. Er liess darauf mit der Vernichtung der Flakwaffen beginnen. Kapitän H. bemerkte, dass ihm die Ausführung des Befehls sehr nahe ging und nahm in deshalb zu sich in die Kammer. Als er ihm dort einen Schnaps gab und zu trösten versuchte, fing der Angeklagte haltlos zu weinen an.

 

Im Laufe des Nachmittags stieg der leitende Ingenieur Roos auf der Adria ein. Kapitän H. wusste, dass er ein Gegner des Regimes war und bat deshalb ihn und den Angeklagten politische Aussprachen zu unterlassen. Roos war 40 Jahre alt und stammte aus Göppingen. Er war Schiffsingenieur, verheiratet und Vater eines Kindes. Während des Krieges fuhr er als Angehöriger des Gefolges der Kriegsmarine auf verschiedenen Handelsschiffen. Beruflich galt er als tüchtig, persönlich wird er von dem Zeugen J. als grobschlächtig und ungehobelt geschildert.

 

Am Nachmittag des 3.Mai suchte Roos den Angeklagten in seiner Kammer auf, um sich vorzustellen. Als der Angeklagte mit "Heil Hitler" grüsste, meinte Roos, den Gruss solle er sich abgewöhnen, es sei ein Glück, dass der Kerl, der an dem Schlamassel Schuld sei, tot sei, endlich könne man wieder lachen. Der Angeklagte widersprach anfänglich, schwieg dann aber im Hinblick auf die Bitte des Kapitäns H. Nach kurzer Zeit erschien Roos noch einmal in der Kammer des Angeklagten, der beim Einpacken seiner Sachen war. Auf seine Bitte überliess ihm der Angeklagte bei dieser Gelegenheit einige Gebrauchsgegenstände wie Hosenträger und Sockenhalter. Als Roos im Verlauf des Gespräches fragte, wohin er wolle, erwiderte der Angeklagte, er und seine Flakbesatzung würden wahrscheinlich an Land beim Kampf um Kiel und Berlin eingesetzt. Roos meinte darauf, so wahnsinnig würde er doch nicht sein, seinen Kopf 5 Minuten vor zwölf noch einzusetzen, da der Feind schon überall durchgebrochen sei. Der Angeklagte war entrüstet und meinte, man müsste doch an die Frauen und Kinder denken, die jetzt in die Hände der Russen fielen. Roos erwiderte, man sei hier im Westen und könne sich um den Osten nicht kümmern. Er riet dem Angeklagten Zivil anzuziehen und die Bonzen allein weiterkämpfen zu lassen. Die Darstellung über den Inhalt dieser Gespräche beruht auf den unwiderlegbaren Angaben des Angeklagten.

 

Nach seinem ebenfalls unwiderlegbaren Angaben traten nach dem Abendbrot einige