Justiz und NS-Verbrechen Bd.I

Verfahren Nr.001 - 034 (1945 - 1947)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

> zum Inhaltsverzeichnis

Lfd.Nr.012a LG Lübeck 23.12.1946 JuNSV Bd.I S.189

 

Lfd.Nr.012a    LG Lübeck    23.12.1946    JuNSV Bd.I S.189

 

5 KLs 82/46

 

Im Namen des Rechts

 

 

Strafsache gegen

 

den Nautiker und Journalisten G. 46 aus Hamburg, geb. am 20.12.1919 in Danzig, z.Zt. in Lübeck in Untersuchungshaft,

 

wegen versuchten Verbrechens nach §212 StGB pp.

 

Die Strafkammer des Landgerichts in Lübeck hat in der Sitzung vom 23.12.1946 für Recht erkannt:

 

Der Angeklagte hat einen ihn vernehmenden Polizeibeamten niedergeschlagen, um zu entweichen. Er wird wegen versuchten Totschlages in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung zu 5 Monaten Gefängnis verurteilt.

Er hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die erlittene Untersuchungshaft ist auf die Strafe anzurechnen.

 

 

GRÜNDE

 

I.

 

Die Hauptverhandlung hat auf Grund der eigenen Angaben des Angeklagten und der eidlichen Aussagen des Zeugen Kriminalsekretär i.R. P., Kriminalpolizeiobermeister L. und W. und Arbeiter Gr. in Verbindung mit den gutachtlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr.med. F. und Dr.med. v. R. folgenden Sachverhalt ergeben: Der 27jährige Angeklagte wurde als Sohn des jetzigen Regierungsoberinspektors Fritz G. in Danzig geboren. Sein Vater ist z.Zt. Leiter der Aussendienststelle der Landesversicherungsanstalt in ...

 

Der Angeklagte besuchte zunächst die Volksschule in Köslin, Gotha und Kiel und kam sodann auf das Reform-Realgymnasium, das er im Jahre 1934 mit der Obersekundareife verliess. Nach Abgang von der Schule wandte er sich seinen Neigungen entsprechend dem Seemannsberuf zu und tat zunächst auf dem Schulschiff "Prinzess Juliana" Dienst. In der Folgezeit fuhr er auf verschiedenen, meist ausländischen Schiffen und bestand im Jahre 1936 das Examen für Seemotorführer (C1). Zur Zeit des spanischen Bürgerkrieges fuhr er auf ausländischen Schiffen zugunsten der Internationalen Brigade in Spanien Nachschub. Bereits in diesen Jahren bildete sich in ihm auf Grund seiner Auslanderfahrungen eine mit den Grundsätzen des Nationalsozialismus im Widerspruch stehende Einstellung. Als er im Jahre 1938 nach Deutschland zurückkehrte, wurde er wegen seiner Betätigung während des spanischen Bürgerkrieges beim Grenzübertritt von der Gestapo für einige Stunden festgenommen. Er bemühte sich in Deutschland nunmehr darum, auf deutschen Schiffen zu fahren, er hatte jedoch dabei Schwierigkeiten mit der DAF. Man warf ihm Seine Tätigkeit während des spanischen Bürgerkrieges vor, und ein Gaugericht der DAF schloss ihn wegen antinationalsozialistischen Verhaltens von jeder Betätigung innerhalb der deutschen Seefahrt aus. Er fand daraufhin bei der deutschen Kamerungesellschaft, einer Grosshandelsgesellschaft, die die Ein- und Ausfuhr mit den ehemaligen deutschen Kolonien betrieb, eine Anstellung als Volontär. Er hatte die Absicht, mit Hilfe dieser Firma

 

46 Rechtskräftig durch Urteil des OLG Kiel vom 26.3.1947, Ss 27/47, Lfd.Nr.012b