Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.527a LG Trier 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.135

 

Lfd.Nr.527a    LG Trier    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.165

 

B. gelten, der nach seinen geistigen Anlagen kaum zu einer diffizilen Wertung im Stande war. War er aber auf Grund des vor der Tat Gehörten einmal in einer Meinung befangen, so musste es für ihn, dem es an besonderer Erkenntnis und geistiger Beweglichkeit zweifellos mangelt, um so schwerer sein, eine andere Erkenntnis zu gewinnen.

 

Zwar sind hiermit die Bedenken gegen die Richtigkeit seiner Darstellung nicht ganz ausgeräumt. Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass auch er von den Dingen, die man den Gefangenen im Nebenraum vor der Tötung vorspiegelte, keine Kenntnis hatte. In der Hauptverhandlung haben sich keine zuverlässigen Anhaltspunkte ergeben, die auf ein solches Wissen schliessen liessen. Auch die Zahl der Hinzurichtenden musste nicht ohne weiteres in ihm die Erkenntnis auslösen, es handele sich um ein Verbrechen. Bedenklich musste jedoch auch ihn stimmen, wie ruhig die Gefangenen ihre "Hinrichtung" hinnahmen. Nach der Überzeugung des Schwurgerichts musste gerade dies bei dem Angeklagten trotz seiner beschränkten Erkenntnisfähigkeit zumindest Zweifel an der Wahrheit des Gehörten und der Richtigkeit seiner Überzeugung auslösen. Nach der Persönlichkeit des Angeklagten lässt sich jedoch hieraus allein nicht der weitere Schluss herleiten, die zweifellos vorhandenen Zweifel hätten sich bei dem Angeklagten zu dem sicheren Wissen verdichtet, ihm sei durch Dr. Wolter die Mitwirkung bei einer rechtswidrigen Tötung befohlen worden. Es mag sein, dass ihm die Ahnung nicht fern lag, es treffe nicht zu, was man ihm über die Verurteilung der Gefangenen erzählt hatte. Doch musste ihm dies nicht notwendig die Erkenntnis vermitteln, die Kommissare würden ohne jeden Grund einfach umgebracht. Es liegt vielmehr ebenso nahe, dass es ihm - der davon ausging, die Gefangenen wüssten von ihrer Hinrichtung - nahezu unbegreiflich erschien, wie gelassen sie das hinnahmen. Da ihm aber die Kenntnis davon fehlte, dass man ihnen eine Schutzimpfung vorgespiegelt hatte, erscheint es möglich, dass er das Geschehen zwar für grauenvoll und unfassbar hielt, jedoch nicht während der Tötungsaktion die rechtswidrige Vernichtung erkannte. Es muss für den Angeklagten B. in verstärktem Masse gelten, dass auch ihn das Grausige des Geschehens "überfahren" haben mag. Gerade bei seinem geistigen Denk- und Urteilsvermögen erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass er während der ganzen Aktion in dumpfen Zweifeln verharrt ist und eine klare Erkenntnis überhaupt nicht gewonnen hat. Es ist deshalb nicht von der Hand zu weisen, dass er dieses Wissen erst erlangt hat, als ihm einige Tage später die gesamten Vorgänge bekannt wurden.

 

Nun hat der Angeklagte zwar im Ermittlungsverfahren und zunächst auch in der Hauptverhandlung angegeben, er habe den Eindruck gewonnen, dass es sich um eine rechtswidrige Vernichtung handele. Soweit seine Angaben in der Hauptverhandlung in Rede stehen, ist festzuhalten, dass er die vorgenannte Einsicht erst auf eindringliche Vorhalte eingeräumt hat, nachdem er sich unmittelbar zuvor auf sein Nichtwissen über die Unrechtmässigkeit berufen hatte. Das Schwurgericht vermochte auf Grund der Art, wie dieses "Geständnis" zustande kam, und wegen der Begründung, die der Angeklagte dazu anführte, nicht zu der Überzeugung zu gelangen, dass er tatsächlich die sichere Erkenntnis des verbrecherischen Geschehens während der Tat einräumen wollte. Er hat nämlich zunächst eingehend dargelegt, warum er auch während der Aktion noch geglaubt habe, es handele sich um eine rechtmässige Hinrichtung, um dann auf nachdrückliche Vorhalte zu erklären, "für ihn als Katholiken habe der Befehl zur Tötung der Russen Mord bedeutet", worauf er dann einige Zeit später angab, als "Mord" habe er die Tötung erst betrachtet, nachdem ihm einige Tage später das gesamte Geschehen bekannt geworden sei.

Das Schwurgericht hat die Überzeugung gewonnen, dass der Angeklagte mit seinem "Geständnis" in erster Linie den Eindruck hat ausräumen wollen, er habe das grausige Geschehen, das heute als "Mord" auf der Hand liegt, nicht als Verbrechen angesehen oder es sogar gebilligt. In der Art und Weise, wie er sein angebliches Wissen "eingestand", lag unverkennbar der Vorwurf, es könne doch niemand annehmen, dass er als "Katholik" dieses Verbrechen der SS decken wolle. Er hat im übrigen auch nicht präzise eingeräumt, dass er diese Erkenntnis noch während der Tötung der Gefangenen gewonnen habe, sondern hat weitere Fragen nach dem Zeitpunkt des Wissens damit beantwortet, das wisse er heute nicht mehr. Das Schwurgericht ist auf Grund der