Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.527a LG Trier 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.135

 

Lfd.Nr.527a    LG Trier    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.152

 

erst einige Tage später gehört, dass man den Gefangenen vor der Tötung eine Untersuchung und Schutzimpfung vorgespiegelt habe. Jetzt sei ihm erst bewusst geworden, dass die Hinrichtung der russischen Kommissare unrechtmässig erfolgt sei, und er habe sie als Mord angesehen. Mord liege für ihn dann vor, wenn ein Mensch, ohne durch einen Richter verurteilt zu sein, getötet werde.

 

Zwar habe er bei seinen früheren Vernehmungen angegeben, ihm sei bekannt gewesen, dass man den Gefangenen eine Schutzimpfung vorgespiegelt habe und dass es sich um eine unrechtmässige Tötung gehandelt habe. Damals seien ihm jedoch die Vorgänge, die mehr als 20 Jahre zurücklägen, nicht mehr richtig in Erinnerung gewesen. Er habe auf Grund dessen anscheinend seinen später gewonnenen Eindruck in den Zeitpunkt der Tötungsaktion vorverlegt. Das erscheine ihm um so mehr wahrscheinlich, als sein Gedächtnis nach dem Schädelbasisbruch im Jahre 1946 stark gelitten habe. Er wisse deshalb auch nicht, ob seine jetzige Darstellung in allen Teilen zutreffend sei. Verschiedene Angaben bei seinen früheren Vernehmungen seien auch so zu Protokoll genommen, als habe er die betreffenden Tatsachen selbst wahrgenommen, obgleich er sie von anderen erst erfahren habe.

 

VIII.

 

Nach dem festgestellten Sachverhalt bedeutet die Tötung der russischen politischen Kommissare Mord.

Die Gefangenen sind aus niedrigen Beweggründen getötet worden. "Niedrig" sind solche Gründe für eine Tötung, die nach allgemeiner sittlicher Anschauung auf tiefster Stufe stehen, die als besonders verwerflich und verächtlich zu werten sind. Gründe dieser Art waren hier für die Beseitigung der russischen Gefangenen massgebend. Ihre Hinrichtung ist auf Grund des sog. "Kommissarbefehls" angeordnet worden. Aus den Überlegungen, die zum Erlass dieses Befehls geführt haben, aus seiner Begründung und aus den Richtlinien für seine Anwendung geht unmissverständlich hervor, dass die politischen Kommissare deshalb beseitigt werden sollten, weil sie "Kommissare", also politische Gegner der damaligen nationalsozialistischen deutschen Führung waren. Ohne den ernsthaften Versuch zu unternehmen, ihnen eine eigene persönliche Schuld nachzuweisen, wurden sie schon vor Beginn des Feldzuges gegen die Sowjetunion zu "Urhebern barbarisch asiatischer Kampfmethoden" abgestempelt und von vornherein als "Verbrecher" eingestuft. Allein ihre vermutete entschiedene politische Gegnerschaft war der Beweggrund für ihre Vernichtung. Diese Einstellung, einen Menschen lediglich aus politischer Unduldsamkeit zum "Untermenschen" und für "vernichtenswert" zu erklären, verrät nicht nur besonders tiefe sittliche Wertmassstäbe, sondern zeichnet sich auch durch eine besondere Verwerflichkeit aus. Eine solche Gesinnung ist verabscheuungswürdig und "niedrig".

Die russischen Gefangenen sind auch heimtückisch getötet worden. Sie sind unter Ausnutzung ihrer Arg- und Wehrlosigkeit zu Tode gebracht worden. Mag auch ein Vertrauensverhältnis zwischen den Gefangenen und den beteiligten SS-Führern und Mannschaften nicht vorgelegen haben, so mussten jene doch keineswegs damit rechnen, dass man sie zu dieser Zeit töten werde. Sie durften nach den ihnen gegebenen Erklärungen vielmehr darauf vertrauen, dass eine Untersuchung und eine anschliessende Schutzimpfung stattfinde. Diese Arglosigkeit und die dadurch bedingte Wehrlosigkeit der Gefangenen hat man ausgenutzt, um ihnen die tödlich wirkende Zyankalispritze zu verabreichen. Sie konnten sich auf Grund des Zustandes und der Erwartung, in die man sie trügerisch hineinversetzt hatte, weder verteidigen, noch fliehen, noch sich in sonstiger Weise dem Angriff auf ihr Leben entziehen.

 

Ein Grund der Rechtfertigung für dieses Geschehen ist nicht zu erkennen. Um eine Vergeltungsmassnahme handelte es sich nicht. Das geht schon daraus hervor, dass die Tötung der politischen Kommissare der Roten Armee allgemein angeordnet worden war, bevor der Feldzug gegen die Sowjetunion überhaupt begonnen hatte. Ausserdem waren Vergeltungsmassnahmen an Kriegsgefangenen in deutschem Gewahrsam verboten. Das Deutsche Reich war nämlich Vertragspartner des Kriegsgefangenenabkommens vom 27.7.1929. Nach Art.82 dieses Statuts war es verpflichtet, dessen Bestimmungen