Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.527a LG Trier 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.135

 

Lfd.Nr.527a    LG Trier    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.150

 

Hinzert, die auf Anordnung des Reichssicherheitshauptamtes unverzüglich hingerichtet werden sollten. Mindestens 23 sind am nächsten Tage in einer Lichtung tief im Walde beim Lager Hinzert erschossen worden. In beiden Fällen war das Exekutionskommando bestimmt worden, da sich niemand freiwillig für diese Aufgabe gemeldet hatte. Auch im zweiten Falle hatte man die Angehörigen des Exekutionskommandos in dem Glauben gelassen, es handele sich um die Vollstreckung ordnungsgemässer Todesurteile.

 

Von den an der Tötung der russischen politischen Kommissare Beteiligten sind: der Höhere SS- und Polizeiführer Roesener 1946 in Belgrad, der Lagerarzt Dr. Wolter 1946 in Landsberg hingerichtet worden. Der Lagerkommandant Pister ist 1948 im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg - nachdem er bereits zum Tode verurteilt war - eines natürlichen Todes verstorben.

 

VII.

 

1.

Der Angeklagte F. lässt sich dahin ein, als er auf Befehl Dr. Wolters das Zyankali aufgelöst habe, sei ihm nicht einmal der Gedanke gekommen, dass das Gift für die Tötung der Gefangenen bestimmt sei. Zwar habe er zu dieser Zeit bereits gehört gehabt, dass eine Anzahl Russen in Hinzert hingerichtet werden solle. Er habe aber nur von einer Erschiessung gehört und habe deshalb keinen Anlass gehabt, das Gift in Verbindung mit der bevorstehenden Hinrichtung zu bringen. Es sei ihm auch nicht bekannt gewesen, dass man Hinrichtungen überhaupt durch die Verabfolgung von Gift vornehme. Von dem sog. "Abspritzen" habe er noch nie etwas gehört gehabt. Auch am Tage der Tötungsaktion sei er zunächst davon ausgegangen, dass die Exekution durch Erschiessen erfolge, da ihm der Angeklagte B. am Vormittag dieses Tages erzählt habe, die Russen würden im Steinbruch erschossen. Als er dann am Nachmittag erfahren habe, die Gefangenen würden durch die Verabreichung von Spritzen getötet, habe er angenommen, dies geschehe nur deshalb, weil die zunächst vorgesehene Erschiessung mit Kleinkalibergewehren im Steinbruch doch noch zu viel Aufsehen errege. Er habe die nunmehr vorgesehene Art der Tötung zwar für ungewöhnlich gehalten, sich andererseits jedoch gesagt, dass Hinrichtungen in verschiedenster Art, in Amerika beispielsweise durch den elektrischen Stuhl, erfolgten. Immer sei er jedoch davon ausgegangen, dass es sich um eine rechtmässige Exekution handele, da die Gefangenen nach dem, was er gehört gehabt habe, wegen "Kriegsverbrechen" verurteilt gewesen seien. Nach seinem Wissen und seinen Erfahrungen habe für ihn kein Anlass bestanden anzunehmen, dass die SS hier ein Verbrechen begehe. In Hinzert sei bis dahin weder etwas Ähnliches passiert, noch habe er bis dahin von irgendwelchen Verbrechen der SS in anderen Lagern gehört. Er habe nach den ihm bekannten Idealen der SS auch nicht angenommen und nicht annehmen können, dass diese Kriegsgefangene einfach hinmorde. Solche Verbrechen habe er der SS einfach nicht zugetraut. Dass es sich um die Tötung von so vielen Gefangenen handele, habe er vorher gleichfalls nicht gewusst. Es sei nur die Rede von einer "Anzahl" Russen gewesen. Eine genaue Zahl sei - offenbar bewusst - nicht genannt worden.

 

Gegen 19.30 Uhr habe ihm der Angeklagte B. gesagt: "Das Ding mit den Russen steigt heute abend." Er habe aber auch jetzt noch nicht gewusst, dass er selbst bei der Tötung mithelfen müsse, da Dr. Wolter am Nachmittag lediglich gesagt habe, es sei abends Dienst. Erst als man den - wie sich später herausgestellt habe - zur Probe mit einer Spritze getöteten Gefangenen aus der Revierbaracke herausgetragen und der Lagerkommandant Pister ihm befohlen habe, mit zur Quarantänebaracke zu gehen, habe er geahnt, dass er bei der Tötung der russischen Kommissare irgendwie mitwirken müsse. Zunächst habe er sogar angenommen, dass man die Exekution auf dem Revier durchführen wolle.

Nach der Tötung der ersten Russen habe ihn Grauen und Widerwillen über diese Art der Hinrichtung überfallen. Er sei von dem ganzen Geschehen so überwältigt worden, dass er später keine richtigen Gedanken mehr habe fassen können. Wenn er die Art der Hinrichtung auch als grauenvoll empfunden habe, so sei er doch immer davon ausgegangen,