Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.527a LG Trier 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.135

 

Lfd.Nr.527a    LG Trier    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.149

 

herein, ergriffen die Tragbahre mit dem Toten und trugen diese hinaus auf einen vor der Baracke unmittelbar an der Treppe stehenden Lastkraftwagen. Gleichzeitig brachten zwei andere SS-Leute eine leere Tragbahre in die abgeteilte Kabine und stellten sie auf den grösseren Tisch.

 

Auf Befehl Dr. Wolters versuchte der Angeklagte F. erneut, die Spritze mit Zyankali zu füllen, was ihm diesmal infolge seiner Aufregung misslang. Darauf zog sie Dr. Wolter auf, während F. wiederum die Zyankaliflasche beim Aufziehen festhielt. Anschliessend trat der zweite Gefangene ein und legte sich auf die Tragbahre. Der Angeklagte B. band ihm wiederum den Oberarm ab, und Dr. Wolter gab ihm die tödliche Spritze. Zwei Träger schafften die Tragbahre mit dem Toten hinaus, zwei andere brachten eine leere hinein. Gleichzeitig verliess der Lagerkommandant Pister den Raum, stellte sich dann aussen auf einen Schemel und sah von dort aus über die Abspannung in den Raum hinein.

Nunmehr befahl Dr. Wolter dem Angeklagten B., das kleinere Tischchen, auf dem Sterilisator und Zyankaliflasche standen, näher heranzuschieben, damit alles handgerecht stehe. Von jetzt ab band Dr. Wolter selbst den Gefangenen den Oberarm ab und zog die Spritzen auf, während der Angeklagte F. die Flasche mit dem Gift jeweils festhielt. Der Angeklagte B. wies nunmehr die hereintretenden Gefangenen mit einer Geste an, sich auf die Tragbahre zu legen und legte ihnen nach Verabfolgung der Spritze den einen Arm wieder auf die Tragbahre.

Während der Tötungsaktion verliess der Angeklagte F. zweimal den Raum. Beim ersten Male holte er eine Flasche Selterswasser, beim zweiten Male Tabletten für Dr. Wolter. Nachdem F. zum zweiten Mal zurückgekehrt war, stand er in einer Ecke des Raumes, um für etwaige Handreichungen bereit zu sein. Der Angeklagte B. will während der Aktion gleichfalls zweimal den Raum verlassen haben.

 

Insgesamt wurden mindestens 30-40 Gefangene, möglicherweise mehr, durch die tödlichen Injektionen umgebracht. Die genaue Anzahl war nicht mehr festzustellen. Die Angeklagten B. und F. waren während der Tötung von ca. 30 Kommissaren, oder einigen mehr, im Raum anwesend.

Zwei Trägerpaare schafften abwechselnd die Toten auf einer Tragbahre aus dem Raum, wo die Tötung stattfand, heraus, trugen sie auf den draussen wartenden Lastkraftwagen, wo zwei weitere SS-Leute die Toten zurechtlegten. In zwei Fahrten wurden die Toten zu dem im Walde gelegenen Massengrab geschafft und dort beerdigt. Etwa alle 3 Minuten wurde ein Toter herausgeschafft. Die gesamte Aktion dauerte etwa 2 - 2½ Stunden. Allerdings war zwischendurch eine "Pause" eingelegt worden, deren Dauer nicht mehr festzustellen war.

 

Trotz des ausdrücklichen Gebotes an alle bei der Aktion Beteiligten, nichts über die Art und den Umfang der Vorkommnisse verlauten zu lassen, sickerten in den nächsten Tagen Schilderungen über das Geschehen durch. Nunmehr erfuhren auch die nichtbeteiligten SS-Leute von den Vorgängen. Darüberhinaus erhielten die Beteiligten Kenntnis von dem gesamten Ablauf der Aktion und erfuhren dabei, dass man den Gefangenen vorgespiegelt hatte, sie kämen zum Arbeitseinsatz und erhielten deswegen eine Schutzimpfung. Allgemein wurde daraufhin die "Hinrichtung" der Gefangenen als etwas Unrechtmässiges angesehen.

Als dies die Lagerleitung erfuhr, gab Sturmbannführer Pister bekannt, die getöteten politischen Kommissare seien an der unmenschlichen Ermordung deutscher Soldaten beteiligt gewesen und deshalb "hingerichtet" worden. Von einer ausdrücklichen Verurteilung war keine Rede mehr. Gleichzeitig ordnete Pister an, dass strengstes Stillschweigen über die Sache zu wahren sei und drohte jedem, der trotzdem etwas verlauten lasse, an, ihn eigenhändig "über den Haufen" zu schiessen.

 

In späterer Zeit wurden noch zweimal Exekutionen grösseren Umfangs im Lager Hinzert durchgeführt. Anfang September 1942 wurden 20 luxemburgische Widerstandskämpfer nach Hinzert überstellt, die von einem Standgericht zum Tode verurteilt waren. Sie wurden durch ein Kommando der SS des Lagers an einem Waldrand erschossen. Im Februar 1944 kamen etwa 25 luxemburgische Widerstandskämpfer in das Sonderlager