Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.527a LG Trier 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.135

 

Lfd.Nr.527a    LG Trier    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.148

 

seine Stube verlasse. Pister, Dr. Wolter und die anderen SS-Männer begaben sich dann mit dem Gefangenen auf die Revierstube. Hier erhielt der Gefangene von Dr. Wolter eine Spritze mit Zyankali. Einige Minuten später trugen ihn die zwei SS-Männer tot auf einer Bahre hinaus. Kurz darauf erschienen Pister, Dr. Wolter und die anderen SS-Führer wieder und begaben sich quer über den Appellplatz zum Quarantäneraum. Auf Befehl Dr. Wolters oder Pisters schlossen sich ihnen die beiden Angeklagten an.

 

Der Quarantäneraum war ein Teil der im Häftlingslager gelegenen Verwaltungsbaracke. Beim Betreten der Verwaltungsbaracke von der am Lagertor gelegenen Giebelseite gelangte man zunächst in einen längeren Gang. Links von diesem lagen die Büroräume der Verwaltung, rechts davon die Bekleidungskammer. Der Gang führte an seinem anderen Ende in einen sehr grossen Raum. Hier war in der vorderen Ecke rechts die sog. Schreinerei eingerichtet. In der linken Ecke waren Duschen und andere Waschgelegenheiten angebracht. Die andere Hälfte des Raumes wurde zum Trocknen benutzt und deshalb auch als "Trockenraum" bezeichnet. Der gesamte durch Wände nicht unterteilte Raum hiess "Quarantäneraum". Ein grösserer Eingang führte an der Vorderseite der Verwaltungsbaracke unmittelbar vom Appellplatz in den Quarantäneraum. An diesen schloss sich - verbunden durch eine Tür - der sog. Entwesungsraum an. Auch dieser hatte nach vorn zum Appellplatz hin einen besonderen Eingang.

Im Quarantäneraum war an dem fraglichen Abend links vom Eingang ein rechteckiger Teil des Gesamtraumes abgeteilt. Hier sollten die Gefangenen getötet werden. Man hatte in etwa 2.50 m Höhe einen Draht gespannt, an dem Decken und weisse Laken befestigt waren, die bis zum Fussboden hinabhingen, so dass man innerhalb der Abspannung den Eindruck haben konnte, es handele sich um einen kleineren Revierraum. In dieser Art Kabine standen ein grösserer - einem ärztlichen Untersuchungstisch ähnlicher - Tisch, auf dem eine Tragbahre lag, eine grosse starke Lampe und ein kleinerer Tisch, auf dem sich ein Sterilisator mit mehreren Spritzen, eine Anzahl Kanülen und eine Flasche mit Zyankali befanden. Aus diesem Raum gelangte man durch die geöffnete, aber mit Decken dicht verhangene Tür zum Entwesungsraum.

 

Bevor der Lagerkommandant Pister und seine Begleitung sich zum Quarantäneraum begeben hatten, war dort einer der mit den russischen Gefangenen beladenen Lastkraftwagen auf dem Appellplatz aufgefahren. Die Gefangenen erhielten den Befehl, abzusteigen und sich mit ihrem Gepäck in den Entwesungsraum zu begeben. Hier eröffnete ihnen ein Dolmetscher, sie kämen zum Arbeitseinsatz, müssten sich deshalb einer ärztlichen Untersuchung unterziehen und erhielten gleichzeitig eine Schutzimpfung. Darauf untersuchte der Zahnarzt Dr. W. die Mundhöhle der Gefangenen, angeblich, um etwaige Erkrankungen festzustellen. Alsdann erhielten sie den Befehl, sich zur weiteren Untersuchung und Impfung ganz auszukleiden. Im nackten Zustand wurden sie darauf in einem von dem ersten abgeteilten weiteren Raum durch den Sanitäter Hanson zum Schein gewogen und gemessen.

 

Inzwischen waren - es war nunmehr gegen 20.30 Uhr - der Lagerkommandant Pister, der Lagerarzt Dr. Wolter, der Kompanieführer Gans, die beiden Angeklagten und wahrscheinlich noch einige weitere SS-Führer in dem zur Tötung bestimmten Raum eingetroffen. Auf Befehl Dr. Wolters zogen die beiden Angeklagten Gummihandschuhe an. Gleichzeitig erklärte Dr. Wolter ihnen, welche Verrichtungen sie bei der bevorstehenden Tötung der Gefangenen vorzunehmen hätten. B. erhielt den Befehl, den einzelnen Gefangenen den Oberarm abzubinden; der Angeklagte F. sollte die Zyankalilösung in die Spritzen aufziehen. F. versuchte dann, die erste Spritze zu füllen. Da diese jedoch durch einen Stöpsel in die Flasche eingeführt werden musste, gelang ihm das nicht richtig. Darauf zog Dr. Wolter selbst das Gift in die Spritze, während F. ihm auf Befehl die Zyankaliflasche festhielt. Nunmehr trat der erste Gefangene durch die mit Decken verhangene Tür aus dem Nebenraum herein. Es wurde ihm bedeutet, sich auf die auf dem grösseren Tisch stehende Tragbahre zu legen. Als der Gefangene auf der Bahre lag, band ihm B. einen Oberarm ab. Sodann spritzte Dr. Wolter dem Gefangenen die Zyankalilösung in eine Vene des abgebundenen Oberarms. Kurz darauf zuckte der Körper des Mannes, und der Gefangene war infolge der Einwirkung des Gifts tot. Jetzt traten aus dem nicht abgetrennten Teil des Quarantäneraumes zwei SS-Männer