Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.527a LG Trier 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.135

 

Lfd.Nr.527a    LG Trier    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.147

 

Etwa zur gleichen Zeit erhielten der bei der Kommandantur als Kraftfahrer eingesetzte SS-Mann Rau. und ein weiterer Kraftfahrer den Befehl, mit zwei Lastkraftwagen Gefangene aus dem Kriegsgefangenenlager Baumholder abzuholen und nach Hinzert zu bringen. Um welche Gefangene es sich handele, wurde ihnen nicht gesagt. Es wurde ihnen jedoch bedeutet, es führen einige Beamte der Geheimen Staatspolizei mit, deren Weisungen zu befolgen seien. Die beiden LKWs fuhren dann, angeführt von einem PKW mit Angehörigen der Gestapo, zu einem in der Nähe von Baumholder gelegenen Kriegsgefangenenlager. Rau. und der andere Kraftfahrer erhielten den Befehl, ihre Wagen rückwärts an das Lagertor zu fahren. Dort standen bereits die zur Exekution bestimmten politischen Kommissare und bestiegen dann mit ihrem Gepäck die beiden Wagen. Als die Fahrzeuge in die Nähe von Hinzert gelangten, war es bereits dunkel. Rau. erhielt dann den Befehl, mit seinem Wagen von der Strasse abzubiegen und im Walde zu warten, bis er eine weitere Weisung erhalte. Der andere Wagen fuhr in Richtung Lager weiter.

Am späten Nachmittag erfuhr der Angeklagte B. von Dr. Wolter, die "Russen" würden durch Verabreichung von Spritzen getötet. Er setzte hiervon auch den Angeklagten F. in Kenntnis. Beide Angeklagten wollen zu dieser Zeit jedoch noch angenommen haben, dass sie bei der Tötung nicht mitzuhelfen brauchten.

 

Gegen Abend erhielt der am Vortag von einem Forschungsvorhaben in Luxemburg zurückberufene SS-Hauptsturmführer Prof.Dr. Ri. vom Lagerkommandanten Pister den Befehl, mit Leuten der Wachkompanie alle zum Lager führenden Strassen und sonstigen Zugänge abzusperren. Dabei erklärte Pister Dr. Ri., die Absperrung erfolge, weil am Abend etwa 40 russische politische Kommissare ins Häftlingslager überführt würden. Sie seien durch die "Wehrmacht" verurteilt; die "Exekution" solle jedoch in Hinzert stattfinden. Zu diesem Zweck seien die Kommissare in Baumholder von der Wehrmacht an die SS übergeben worden. Um Aufsehen zu vermeiden, sollten die Gefangenen durch Verabfolgung von Spritzen getötet werden. Anschliessend setzte Pister die für die Absperrung vorgesehenen SS-Leute der Wachkompanie davon in Kenntnis, dass am Abend eine "Exekution" stattfände. Während ein Teil der Wachkompanie befehlsgemäss die Zugänge zum Lager abriegelte, sperrten andere Angehörige der Kompanie im Walde den Bereich um das Massengrab ab. Dr. Ri. will angenommen haben, die Gefangenen seien rechtmässig verurteilt gewesen, da sie andernfalls nicht von der Wehrmacht an die SS übergeben worden seien. Innerlich habe er sich jedoch gegen diese Art der Exekution ("Abspritzen") aufgelehnt.

 

Bei Einbruch der Dunkelheit wurden die vom Lagerkommandanten Pister am Mittag ausgewählten 20 SS-Leute der Wachkompanie zusammengerufen. Ihr Kompanieführer teilte ihnen nunmehr mit, dass in Kürze eine grössere Zahl russischer politischer Kommissare im Lager eintreffe, die "hingerichtet" werden müssten. Die "Hinrichtung" erfolge noch am selben Abend durch die Verabfolgung von giftigen Spritzen im Quarantäneraum. Sodann wurde ihnen erklärt, wie der Ablauf der "Aktion" gedacht sei und jedem einzelnen mitgeteilt, welche Aufgabe ihm zufalle. U.a. wurden vier SS-Leute dazu bestimmt, mit zwei Tragbahren die Getöteten aus der Baracke zu einem draussen wartenden LKW zu schaffen; einige andere sollten die Leichen auf dem Wagen zurechtlegen und schliesslich einige weitere die Toten zu dem Massengrab in den Wald bringen und dort beerdigen. Es wurde allen 20 Mann anbefohlen, strengstes Stillschweigen - auch den anderen SS-Männern gegenüber - zu wahren.

Etwa um die gleiche Zeit teilte der Lagerarzt Dr. Wolter den beiden Angeklagten mit, es sei heute abend Dienst; er brauche beide; sie sollten sich zu seiner Verfügung halten.

 

Gegen 20.00 Uhr erschienen der Lagerkommandant Pister, Dr. Wolter und einige weitere SS-Führer in der Revierbaracke. Mit ihnen kamen zwei SS-Männer der Wachkompanie, die in ihrer Mitte einen russischen Gefangenen mit sich führten. An ihm sollte "erprobt" werden, ob die als Tötungsart vorgesehene "Abspritzung" zuverlässig sei. Der Angeklagte F., der am Eingang der Revierbaracke stand, erhielt den Befehl, darauf zu achten, dass niemand die Baracke betrete, der Angeklagte B. wurde angewiesen, dafür zu sorgen, dass keiner der im Revier untergebrachten kranken Häftlinge