Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.527a LG Trier 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.135

 

Lfd.Nr.527a    LG Trier    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.145

 

nur zu einem geringen Teil tatsächlich nachkamen. Teilweise wurden fingierte Meldungen von den unteren Kommandeuren abgegeben, teilweise wurden diejenigen politischen Kommissare als "beseitigt" gemeldet, die im regulären Kampf gefallen waren. Der grösste Teil der gefangenen politischen Kommissare der Roten Armee wurde jedoch mit den übrigen Gefangenen nach rückwärts abgeschoben, so dass Zehntausende von ihnen in die Durchgangs- und Stammlager gelangten.

Als sich diese Entwicklung bereits in den ersten Tagen des Russlandfeldzuges abzuzeichnen begann, übertrug Hitler die Durchführung seiner Anordnungen dem Reichsführer-SS, Himmler, und dem Chef des Reichssicherheitshauptamtes, SS-Gruppenführer Heydrich. Nunmehr war es in erster Linie Aufgabe der im Reichssicherheitshauptamt zusammengefassten Sicherheitspolizei und des SD, die Vernichtung der politischen Kommissare, insbesondere auch der bei den Truppen ergriffenen, durchzuführen.

 

Auf Grund eines Abkommens zwischen dem Oberkommando der Wehrmacht und dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Heydrich, wurden zur Durchführung dieser Aufgabe "Einsatzkommandos" der Sicherheitspolizei und des SD gebildet. Ihnen oblag es, die in die Kriegsgefangenenlager gelangten politischen Kommissare zu ermitteln, auszusondern und zu "vernichten". In den hierfür vom Chef der Sipo und des SD herausgegebenen "Richtlinien" vom 28.Juni 1941 sind die näheren Bestimmungen über das Vorgehen der Einsatzkommandos und den Umfang der ihnen übertragenen Massnahmen festgelegt. Hiernach waren nicht nur die politischen Kommissare bei der Roten Armee, sondern auch die Partei- und Staatsfunktionäre, sonstige leitende Persönlichkeiten, alle Juden, sowie alle Gefangenen, die als Aufwiegler oder fanatische Kommunisten bekannt würden, aus den Kriegsgefangenenlagern zu entfernen. Dabei hatten die Lagerkommandanten nach Weisung des OKW auf Antrag der Einsatzkommandos die Gefangenen zunächst aus der Kriegsgefangenschaft zu entlassen. Damit war diesen formal der bisherige völkerrechtliche Schutz genommen. Ihr Schicksal lag nun allein in den Händen der Einsatzkommandos, die mit ihrer Tötung beauftragt waren. Nach den "Richtlinien" sollten die Exekutionen nicht in einem Kriegsgefangenenlager oder dessen unmittelbarer Nähe, im übrigen ohne Zuschauer erfolgen.

Weitere Durchführungsbestimmungen erliess der Chef der Sipo und des SD in dem "Einsatzbefehl Nr.8" vom 17.Juli 1941 und in dem "Einsatzbefehl Nr.9" vom 21.Juli 1941. In dem letztgenannten Befehl ist ausdrücklich angeordnet, dass die Exekutionen nicht öffentlich und unauffällig im nächstgelegenen Konzentrationslager durchzuführen sind. Schriftlich wurden diese Befehle im Reichsgebiet lediglich den Staatspolizeileitstellen, den Inspekteuren der Sipo und des SD, den Höheren SS- und Polizeiführern, sowie verschiedenen Amtschefs, Gruppen- und Referatsleitern im Reichssicherheitshauptamt bekanntgegeben. In einem weiteren Erlass vom 12.September 1941 weist Heydrich darauf hin, dass die "ausgesonderten" Gefangenen dem Reichssicherheitshauptamt zu melden und nach der Exekutionsbestätigung unverzüglich zu "beseitigen" sind. Am 23.September 1941 versuchte das Oberkommando des Heeres, eine Abänderung des Kommissarbefehls durch Hitler herbeizuführen, da durch diesen Befehl der Widerstandswille der Kommissare, die in jedem Falle ihren Tod vor Augen hätten, nur verstärkt werde. Hitler lehnte damals jede Änderung ab. Erst im Mai 1942 ist der Befehl aufgehoben worden.

 

Auf Grund dieses Kommissarbefehls sind Zehntausende von russischen politischen Kommissaren von den Einsatzkommandos der Sipo und des SD in den Kriegsgefangenenlagern ermittelt, aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und alsbald getötet worden. Da die Art der "Exekution" nicht bestimmt war, blieb es den örtlichen Einsatzkommandos regelmässig überlassen, die Art der Tötung selbst zu bestimmen, die nach deren Auffassung der Forderung, die "Liquidation" sei ohne Zuschauer und unauffällig vorzunehmen, am ehesten gerecht würde. In Vollzug des Kommissarbefehls sind deshalb im September/Oktober 1941 im Konzentrationslager Sachsenhausen Tausende von russischen Kommissaren in einer eigens hergerichteten Erschiessungsbaracke mittels einer für diesen Zweck besonders konstruierten "Genickschussanlage" umgebracht worden. In dem Konzentrationslager Auschwitz tötete man die russischen Kommissare in der Weise, dass man ihnen mit Benzin gefüllte Spritzen verabfolgte. In Sachsenhausen war den zur Tötung bestimmten Gefangenen erklärt worden, sie kämen zum Arbeitseinsatz