Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.527a LG Trier 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.135

 

Lfd.Nr.527a    LG Trier    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.142

 

eingesetzt.

 

Das Sonderlager Hinzert war im Herbst 1941 mit 150-220 Häftlingen belegt. Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Häftlinge bereits zu dieser Zeit Misshandlungen, Grausamkeiten oder besonderen Schikanen des SS-Personals ausgesetzt gewesen oder sogar zu Tode gekommen wären.

Etwa vom Jahre 1942 an wurden sie jedoch erheblich strenger behandelt. Für alle Vergehen wurden sie jetzt hart bestraft. Innerhalb des Lagers durften sie sich, auch bei der Arbeit, nur im Laufschritt bewegen. Immer wieder kam es aus geringfügigen Anlässen zu schweren Misshandlungen. Schikanen des SS-Personals waren an der Tagesordnung. Bereits beim ersten Betreten des Lagers wurden die meisten Neueingewiesenen mit Schlägen empfangen, mussten dann mehrere Runden um den Appellplatz laufen, wobei der damalige Lagerkommandant S. öfters seinen auf den Mann abgerichteten Schäferhund auf die Leute hetzte. Schläge, Fusstritte, Knüppelhiebe und weitere schwere Misshandlungen, die im einzelnen nicht näher festgestellt wurden, führten in vielen Fällen zum Tode. Dieses Verhalten des SS-Personals war weitgehend auf die Einstellung des damaligen Lagerkommandanten S. zurückzuführen. Er wird als herrischer, unberechenbarer Gewaltmensch geschildert, der sich durch Rücksichtslosigkeit und Brutalität auszeichnete. Er war bei den Häftlingen und bei den ihm unterstellten SS-Leuten gefürchtet. Er duldete die ab 1942 im Häftlingslager herrschenden Missstände nicht nur, sondern förderte sie und gab vielfach selbst die Anordnung zur Durchführung von Grausamkeiten. Von den ihm unterstellten SS-Leuten forderte S., dass sie hart durchgriffen und kein Mitleid zeigten.

 

Der Angeklagte B., der in jener Zeit (Anfang 1942 - Anfang 1943) Leiter des Krankenreviers war, hat sich damals verschiedene Grausamkeiten zuschulden kommen lassen. Auf Grund der hiermit verbundenen Vorwürfe ist er - wie eingangs angeführt - wegen einfacher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen gefährlicher Körperverletzung in sieben Fällen im Jahre 1950 verurteilt worden. Andererseits hat der Angeklagte einer Reihe von Häftlingen Vorteile verschafft, ohne eine Gegenleistung zu verlangen, und sich durch sein Verhalten selbst erheblich gefährdet. So hat er 11-12 luxemburgische Häftlinge, die alt oder erkrankt waren, entgegen seinen Anweisungen für "lagerunfähig" erklärt, worauf diese entlassen wurden. Manchen erkrankten Häftlingen liess er Zusatznahrung (Milch etc.) zukommen. Teilweise verständigte er die Angehörigen luxemburgischer Häftlinge von deren Ankunft im Lager oder warnte andere vor Spitzeln und vor bevorstehenden Vernehmungen durch die Gestapo. Verschiedentlich nahm er Häftlinge vor der Gestapo oder dem SS-Personal des Lagers in Schutz oder schritt gegen Misshandlungen ein. Einem Teil der im Revier untergebrachten Häftlinge ermöglichte er es, ausländische Sender zu hören. Auch als SS-Mann stand er stets zu seinem religiösen Bekenntnis. Oft brachte er für die inhaftierten katholischen Geistlichen heimlich Hostien und Messwein ins Lager, um diesen die Feier der Messe zu ermöglichen. Weihnachten 1942 ermöglichte er es, dass luxemburgische Geistliche heimlich Beichte hören konnten, und stand selbst Wache vor dem Raum, in dem die luxemburgischen Häftlinge mit seiner Hilfe die Weihnachtsmesse feierten. Durch dieses Verhalten war der Angeklagte später in eine gewisse Abhängigkeit von den im Revier untergebrachten Häftlingen geraten, die von diesen Vorgängen Kenntnis hatten. Sie nutzten ihr Wissen auch teilweise aus, um den Angeklagten B. bei gewissen Anliegen unter Druck zu setzen. So gelang es ihnen insbesondere, die Aufnahme kranker Häftlinge ins Revier durchzusetzen, die bei den im Lager Hinzert üblichen Massstäben nicht mit einer derartigen Behandlung hätten rechnen können.

 

Der Angeklagte F. trat während seiner Tätigkeit im Lager Hinzert kaum in Erscheinung. Er galt als zurückhaltend. Viele Häftlinge kannten ihn überhaupt nicht. Wegen seiner starken Schwerhörigkeit hatte er auch zu den anderen SS-Leuten wenig Kontakt und wurde von ihnen wegen seines Leidens anscheinend nicht als vollwertiger SS-Mann angesehen.