Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.527a LG Trier 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.135

 

Lfd.Nr.527a    LG Trier    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.138

 

ein Realgymnasium bis zur Obersekundareife, erlernte dann den Beruf eines Dentisten und legte im Jahre 1934 in Karlsruhe die Dentistenprüfung ab. In den nächsten Jahren war er als Assistent tätig. 1938 eröffnete er in Heddesheim eine eigene Praxis.

Im Jahre 1937 trat er einem SS-Reitersturm bei und wurde im gleichen Jahr Mitglied der NSDAP. Der Angeklagte hoffte, auf Grund dieser Mitgliedschaften früher zu den Krankenkassen zugelassen zu werden. 1938 wurde er wegen seines Gehörleidens durch die Wehrmacht als "wehruntauglich" ausgemustert.

Im Herbst 1939 meldete sich der Angeklagte freiwillig zur Verwendung bei der Waffen-SS. Er war hiermit einer Aufforderung seines Sturmführers bei der Reiter-SS gefolgt, der ihm erklärt hatte, jetzt müsse sich jeder SS-Mann ohne Rücksicht auf seinen körperlichen Zustand als Soldat zur Verfügung stellen. Insgeheim hoffte der Angeklagte jedoch, dass er auf Grund seiner Wehrunfähigkeit ohnehin nicht einberufen werde. Ende Juli 1940 erhielt er jedoch seine Einberufung zum SS-Sonderlager Hinzert. Hier wurde er zunächst formal und infanteristisch ausgebildet. Als ihm im September 1940 eine durch seine weitgehende Taubheit bedingte Unaufmerksamkeit beim Wachdienst unterlief, erfolgte seine Versetzung zur Zahnstation im Krankenrevier des Lagers Hinzert. Unmittelbar nach der Tötung der russischen Kriegsgefangenen im Herbst 1941 in Hinzert richtete der Angeklagte ein Versetzungsgesuch an seine vorgesetzte Dienststelle. Nach seinen Angaben war er hierzu durch die Befürchtung bewogen worden, es könne ihm nochmals die Beteiligung an der Tötung von Häftlingen befohlen werden. Auf Grund seines Gesuches wurde der Angeklagte Ende des Jahres 1941 zum KZ Ravensbrück zum Aufbau einer Zahnstation versetzt; von dort erfolgte seine Versetzung zum KZ Stutthof bei Danzig, wo er gleichfalls eine Zahnstation aufbaute.

 

Zur Hauptverhandlung im Strafverfahren gegen den Angeklagten B. und den SS-Oberscharführer Mehdenbach vor dem SS- und Polizeigericht Metz am 25.Oktober 1943 war der Angeklagte F. vom KZ Stutthof aus als Zeuge erschienen. Während der Hauptverhandlung wurde auch Anklage gegen ihn erhoben. Der Angeklagte will, bedingt durch sein Gehörleiden, weder verstanden haben, was ihm im einzelnen zur Last gelegt wurde, noch den Verlauf der Verhandlung vollständig wahrgenommen haben. Auf Grund von §4 der VolksschädlingsVO wurde er zu 6 Jahren Zuchthaus verurteilt unter Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte für die gleiche Dauer. Diese Bestrafung wurde nach dem Kriege aufgehoben und der Vermerk im Strafregister getilgt. Nach seiner Verurteilung im Jahre 1943 verbüsste der Angeklagte zunächst 8 Monate in Einzelhaft im Konzentrationslager Dachau und kam dann Ende Juli 1944 zu dem SS-Straflager Danzig-Matzkau. Dort arbeitete er im zahntechnischen Labor. Als sich Anfang 1945 die Front näherte, wurde er dort eingesetzt. Ende des Krieges ist er in Traunstein entlassen worden.

 

Nach seiner Entlassung hielt sich F. zunächst in Süddeutschland auf und gelangte erst Ende des Jahres 1945 nach Hause. Nachdem er im Juni 1946 in Trier aus dem Gewahrsam der französischen Besatzungsbehörden gemeinsam mit dem Angeklagten B. entflohen war, begab er sich zusammen mit diesem wiederum nach Süddeutschland. Dort gab er sich als Volksdeutscher aus Rumänien aus und legte sich den Namen "Peter Oberland" zu. Zuletzt arbeitete er als Zahntechniker. 1950 meldete er sich unter seinem richtigen Namen bei den deutschen Behörden, da er die Scheidung seiner ersten Ehe betreiben und wieder als Dentist arbeiten wollte. 1952 übernahm er eine Zahnarztpraxis in Moosburg. Im Jahre 1954 heiratete er zum zweiten Male. Aus dieser Ehe hat der Angeklagte drei Kinder im Alter von jetzt eins, drei und vier Jahren.

 

III.

 

Die SS, der beide Angeklagten angehörten, war in ihrem Geist, ihrer Erziehung und ihrer Zweckbestimmung ein homogenes Kampfinstrument der nationalsozialistischen Führung. Sie war jedoch in ihrem Verwendungszweck differenziert und erhielt insbesondere nach dem organisatorischen Zusammenschluss von SS und Polizei im Jahre 1936 neben ihren politischen auch entscheidende staatliche Funktionen. SS und Polizei