Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.527a LG Trier 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.135

 

Lfd.Nr.527a    LG Trier    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.137

 

sich dann in seinen Heimatort Plankstadt. Dort erschienen kurz darauf Beamte des amerikanischen CIC und verhafteten ihn, liessen ihn aber alsbald wieder unter der Auflage frei, dass er seinen Aufenthaltsort nicht verlasse. Der Angeklagte erhielt dann den Befehl, bei Aufräumungsarbeiten in Mannheim zu helfen. Dieser Anordnung kam er zunächst nach, setzte sich dann aber alsbald in den Odenwald ab. Im August/September 1945 verhafteten ihn erneut Angehörige der amerikanischen Besatzungsmacht und verbrachten ihn in das frühere Lager Dachau, wo er bis Ostern 1946 festgehalten wurde.

 

Im Mai 1946 begaben sich die beiden Angeklagten sowie ein weiterer früherer Angehöriger des SS-Lagerpersonals in Hinzert auf den Weg nach Luxemburg, um sich dort von früheren Häftlingen Leumundszeugnisse zu besorgen. Auf der Hinreise wurden sie in Hinzert als frühere SS-Angehörige erkannt und von der französischen Polizei gestellt. Hierbei versuchte der Angeklagte B. zunächst zu flüchten. Erst als einer der Polizeibeamten sein Gewehr auf ihn anlegte, blieb er auf einen warnenden Anruf des Angeklagten F. stehen. In Erregung über den Fluchtversuch sprang der französische Polizeibeamte auf B. zu, erhob sein Gewehr und schlug es B. mit einer solchen Wucht auf den Kopf, dass es am Kolbenhals zerbrach. Hierdurch erlitt der Angeklagte einen Schädelbasisbruch. Beide Angeklagte wurden am 15.Mai 1946 in das Gerichtsgefängnis in Hermeskeil eingewiesen, von dort am 18.5.1946 in die Haftanstalt Trier überführt, wo sie bei einem Minensuchkommando eingesetzt wurden. Am 11.Juni 1946 entflohen sie. Der Angeklagte B., der eine erneute Verhaftung befürchtete, begab sich nach Süddeutschland und wechselte dort in kurzen Abständen seinen Aufenthaltsort.

Während dieser Zeit wurde er einige Male kurz festgenommen, jedoch stets nach kurzer Zeit wieder freigelassen. Schliesslich begann er in der Nähe von Riem bei München mit dem Betrieb eines Baugeschäfts.

 

Im November 1947 hatte der Oberstaatsanwalt beim Landgericht in Mannheim gegen den Angeklagten B. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, Häftlinge im Lager Hinzert misshandelt zu haben, eingeleitet. Der Aufenthaltsort des Angeklagten konnte jedoch zunächst nicht ermittelt werden. Als er dann am 5.August 1949 in München verhaftet wurde, leistete er Widerstand und entfloh. Am 28.Oktober 1949 wurde er erneut verhaftet. Durch Urteil des Landgerichts in Mannheim vom 13./14.April 1950 ist der Angeklagte B. wegen einfacher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen schwerer Körperverletzung in sieben Fällen, begangen im SS-Sonderlager Hinzert, zu einer Gesamtstrafe von 2 Jahren, 6 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Diese Strafe hat B. bis auf einen Rest von 263 Tagen, der am 11.9.1956 gnadenweise erlassen wurde, verbüsst.

In der gleichen Hauptverhandlung wurde der frühere SS-Unterscharführer Schaaf wegen Misshandlung von Häftlingen im SS-Sonderlager Hinzert zu einer Gesamtstrafe von 10 Jahren Gefängnis verurteilt. Schaaf beging einige Tage später Selbstmord. In einer zurückgelassenen schriftlichen Notiz beschuldigte er die Angeklagten B. und F., an der Tötung von 30-40 Häftlingen mittels Spritzen beteiligt gewesen zu sein. Darauf leitete der Oberstaatsanwalt beim Landgericht in Mannheim Ende April 1950 ein Ermittlungsverfahren gegen beide Angeklagte ein. Der Aufenthaltsort des Angeklagten F. konnte damals jedoch nicht ermittelt werden. Nach - teilweise richterlicher - Vernehmung mehrerer Zeugen und des Angeklagten B. stellte der Oberstaatsanwalt das Verfahren am 4.August 1950 ein, da kein hinreichender Tatverdacht gegeben sei.

Der Angeklagte B. ist jetzt selbständiger Maurermeister und betreibt in Plankstadt ein Baugeschäft. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Die älteste Tochter ist verheiratet. Die beiden anderen Kinder, ein Mädchen von 12 und ein Junge von 5 Jahren, leben bei ihm im Haushalt.

 

II.

 

Der Angeklagte F. wurde am 1.September 1912 in Mannheim als Sohn des späteren Justizoberinspektors Ludwig Friedrich F. geboren. Im 7. Lebensjahr erkrankte er an Scharlach. Als Folge dieser Krankheit stellte sich auf dem rechten Ohr eine 55%ige, auf dem linken Ohr völlige Taubheit ein. F. besuchte drei Jahre die Volksschule, anschliessend