Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.526b BGH 28.05.1963 JuNSV Bd.XVIII S.127

 

Lfd.Nr.526b    BGH    28.05.1963    JuNSV Bd.XVIII S.131

 

im gegebenen Falle 3-15 Jahre Zuchthaus und lebenslanges Zuchthaus sei ausgeschlossen, die Strafzumessung zu Gunsten der Angeklagten beeinflusst hat, ist nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die längste zeitige Zuchthausstrafe auf jeden Fall 15 Jahre ist, auszuschliessen. Der Senat hält deshalb eine besondere Erörterung der Gültigkeit und des Geltungsbereichs des §4 der GewaltverbrecherVO vom 5.Dezember 1939 (RGBl. I, 2378) nicht für veranlasst (vgl. dazu RGSt. 75, 52, 54 und BGH NJW 1962, 2209 Nr.13 mit Anm. von Dreher).

 

2.

 

Auch die Beanstandungen, welche die Staatsanwaltschaft gegen die Nichtverurteilung der Angeklagten E., K. und Ku. wegen der durch lettische Hilfspolizisten in Rositten vorgenommenen Exekutionen richtet, scheitern an den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen. Das Schwurgericht hat nicht die Möglichkeit einer bloss psychischen Beihilfe verkannt, die in der Entsendung von Beobachtern liegen konnte. Es hat sich jedoch nicht davon überzeugen können, dass die Angeklagten sich einer solchen Hilfeleistung bewusst waren. Das muss das Revisionsgericht hinnehmen.

Rechtlich fehlerhaft und auf die Revision der Staatsanwaltschaft zugunsten der Angeklagten zu berücksichtigen ist es jedoch, dass das Schwurgericht in diesem Falle nur den Angeklagten Ku. ausdrücklich freigesprochen, dagegen beim Angeklagten K. das Verfahren eingestellt und beim Angeklagten E. überhaupt auf einen besonderen Ausspruch verzichtet hat.

Dass das Schwurgericht den Angeklagten K. nicht freisprach, sondern das Verfahren gegen ihn bloss einstellte, beruht auf folgender Besonderheit: Nachdem die Exekution durch lettische Hilfspolizei, bei der K. als Beobachter zugegen war, beendet war und sich schon alle Beteiligten von der Grube zurückgezogen hatten, in der die Opfer lagen, bemerkte K. beim Herantreten, dass sich ein durch Kopfschuss tödlich Getroffener noch regte. Um seinem qualvollen Sterben ein Ende zu machen, tötete ihn K. durch einen Schuss in das Herz. Das Schwurgericht hat insofern einen verjährten Totschlag angenommen und den Vorgang zusammen mit dem vorausgehenden Geschehen als eine rechtliche Einheit gewertet, die Einstellung des Verfahrens also auf das Ganze bezogen statt nur in diesem einen Falle einzustellen und im übrigen freizusprechen. Dieser rechtlichen Betrachtungsweise kann der Senat nicht beitreten. Bei der Tötung des Sterbenden handelte es sich nach den bisherigen Feststellungen um einen selbständigen Vorgang, der zusammen mit der vorausgegangenen etwaigen Beihilfe zum Mord weder im Sinne des §73 StGB noch im Sinne des §264 StPO eine Tat bildete und nur auf Grund einer Nachtragsanklage hätte einbezogen werden dürfen (vgl. BGHSt. 13, 21, 25). Das Schwurgericht hätte also den Angeklagten K. ebenso wie den Angeklagten Ku. freisprechen müssen. Das holt der Senat nach. Die Einstellung des Verfahrens bleibt, auf den Vorwurf des Totschlags beschränkt, wegen des Fehlens einer Prozessvoraussetzung, nämlich der Anklage und einer wirksamen Eröffnung des Hauptverfahrens in diesem Falle, aufrechterhalten.

Beim Angeklagten E. hat das Schwurgericht von einem ausdrücklichen Freispruch abgesehen, weil es das Tatgeschehen im Falle Rositten zusammen mit den übrigen Vorgängen, die der Eröffnungsbeschluss als Beihilfe zum Mord beurteilte, als eine rechtliche Einheit ansah. Da dies, wie oben unter II.2. näher dargelegt wurde, nicht angängig ist, war der Freispruch auch insoweit nachzuholen. Er bezieht sich gleicherweise auf die unter C.II.2.e. behandelten abendlichen oder auch nächtlichen Erschiessungen in den Festungsanlagen von Kowno.

 

3.

 

Bei ihrer gegen den Freispruch des Angeklagten Kl. gerichteten Verfahrensrüge, der Eröffnungsbeschluss habe sich nicht im Rahmen der Anklageschrift gehalten, hat die Staatsanwaltschaft übersehen, dass die Anklageschrift im Abschnitt über das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen die Zeitangabe enthält, deren Anführung im Eröffnungsbeschluss bemängelt wird. Das Schwurgericht durfte den Angeklagten Kl. nur dann verurteilen, wenn es davon überzeugt war, dass es sich bei dem von dem Angeklagten