Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.526b BGH 28.05.1963 JuNSV Bd.XVIII S.127

 

Lfd.Nr.526b    BGH    28.05.1963    JuNSV Bd.XVIII S.130

 

schon bei Himmler nahe, dass dieser nicht in gleicher Weise verfuhr, sondern das Geschehen durch eine Reihe von Einzelanordnungen lenkte, die unter dem Gesichtspunkt seiner Mittäterschaft u.U. als selbständige Handlungen zu beurteilen wären. Einer weiteren Erörterung bedarf dies jedoch nicht. Denn die Frage, ob Tateinheit oder Tatmehrheit gegeben ist, stellt sich bei jedem Teilnehmer stets selbständig, mag er nun Mittäter, Anstifter oder Gehilfe sein (s. RGSt. 70, 26; 334, 344, 349; BGH bei Dallinger MDR 1957, 266).

Das hat das Schwurgericht verkannt. Es ist ersichtlich von der falschen Annahme ausgegangen, dass ein von den Haupttätern durch einen einheitlichen Willensakt ausgelöstes Tatgeschehen nicht nur für diese, sondern für alle anderen daran beteiligten Personen als eine Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit zu werten sei. Es hätte den Angeklagten E., Dr. Schumacher und Brünnert jedoch jeden Exekutionsvorgang als selbständige Handlung zurechnen müssen. Zu einer weiteren Aufteilung des Gesamtgeschehens in rechtlich selbständige Handlungen etwa für die Fälle, in denen ein Angeklagter eigenhändig ein Opfer erschoss, war es allerdings nicht veranlasst, weil es die Angeklagten hinsichtlich der Judenmorde nur als Gehilfen und nicht als Mittäter angesehen hat (s. BGH 1 StR 457/62 vom 22.Januar 1963 23; andererseits BGHSt. 16, 397).

Hiernach kann die Verurteilung der vorgenannten Angeklagten wegen Beihilfe zum Mord, die jeweils eine nach den bisherigen Feststellungen unbestimmte Zahl von Exekutionsvorgängen betrifft, nicht bestehen bleiben.

 

3.

 

Der gleiche Rechtsmangel ist gegeben, soweit das Schwurgericht den Angeklagten E. wegen versuchten Mordes verurteilt hat. In diesem Falle feuerte der Angeklagte auf die in Marschkolonnen angetretenen arglosen und in eine andere Richtung blickenden Insassen eines sogenannten Arbeitserziehungslagers ungezielt so viel Schüsse ab, als ein Magazin seiner Pistole enthielt, und verletzte dabei mindestens drei Personen. Die Bewertung dieser Tat als eines versuchten Mordes geht fehl, da bei dem in diesem Fall als Täter verurteilten Angeklagten jede Betätigung des Abzugs der Pistole als selbständige Handlung zu bewerten ist. Wie der Senat in BGHSt. 16, 397 betont hat, kann allenfalls noch die Abgabe eines Feuerstrahls einer Maschinenpistole, der durch einen einheitlichen ununterbrochenen Druck auf den Abzugsbügel der Waffe ausgelöst wird, als eine Handlung im Sinne natürlicher Handlungseinheit angesehen werden.

 

III.

 

Die weiteren Revisionsangriffe der Staatsanwaltschaft sind unbegründet.

 

1.

 

Das gilt zunächst hinsichtlich der Verurteilung der Angeklagten E., Dr. Schumacher und Brünnert, soweit sich die Staatsanwaltschaft dagegen wendet, dass diese Angeklagten wegen ihrer Beteiligung an den Judenmorden nicht als Täter, sondern nur als Gehilfen verurteilt worden sind. Das Schwurgericht hat nicht verkannt, dass auch der auf Befehl Handelnde Täter sein kann. Es konnte jedoch bei allen drei verurteilten Angeklagten nicht ausschliessen, dass sie jeweils nur dem erteilten Befehle folgten und keine eigenen Tatantriebe verwirklichten. Auf der Grundlage dieser Feststellungen, die der Senat hinnehmen muss, durfte das Schwurgericht die Angeklagten nur als Gehilfen verurteilen. Wenn es in den Urteilsgründen heisst, es sei nicht auszuschliessen, dass der einzelne Angeklagte ohne Befehl den Erfolg nicht herbeigeführt haben würde, so kann diese Wendung nach der Meinung des Senats nach dem Zusammenhang nur im Sinne des Fehlens eigener selbständiger Tatantriebe der Angeklagten verstanden werden, nicht aber in dem Sinne, dass die Frage, ob der Angeklagte einen wesentlichen Tatbeitrag mit Täter- oder Gehilfenwillen leistete, nach ausserhalb des Tatgeschehens liegenden rein hypothetischen Erwägungen zu entscheiden sei (vgl. im übrigen BGHSt. 18, 87 und die dort angeführten weiteren Entscheidungen).

Dass die Meinung des Schwurgerichts, für Beihilfe zum Mord betrage der Strafrahmen

 

23 Siehe Lfd.Nr.551.