Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.526a LG Karlsruhe 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.69

 

Lfd.Nr.526a    LG Karlsruhe    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.118

 

Ihr Alter gab er damals mit 10-12 Jahren, bei seiner späteren Vernehmung (28.9.1959, VII, 311) mit 12-15, bei der vor dem Untersuchungsrichter (25.7.1960, E 157) mit 15 Jahren und schliesslich in der Hauptverhandlung ebenfalls mit 15 Jahren, keinesfalls jünger an. Diese Exekution sei kurze Zeit vor E.s Weggang von Kiew erfolgt, mithin, wie der Angeklagte Kl. sich in der Hauptverhandlung eingelassen hat, erst nach dem 21.6.1943, dem Tag seiner Beförderung zum Obersturmführer. Das ist unwiderlegt geblieben. Darum kann sie nicht identisch sein mit der Exekution des Eröffnungsbeschlusses von April/Mai 1943, die Bl. bei seiner Bekundung in der Hauptverhandlung sogar auf Frühjahr 1943 vorverlegt hat. Die im Eröffnungsbeschluss bezeichnete, dem Angeklagten Kl. vorgeworfene Tat ist somit nicht erwiesen.

Der Angeklagte Kl. ist deshalb mangels Beweises, aber trotz eines nicht ausgeräumten begründeten Tatverdachts auf Kosten der Staatskasse freizusprechen.

 

III. Der Angeklagte P. bei der KdS-Dienststelle in Kiew

 

Dem Angeklagten P. wird im Eröffnungsbeschluss vorgeworfen, er habe als SS-Untersturmführer bei der Dienststelle des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD in Kiew im August 1943 eine Vergasung geleitet, bei der u.a. mindestens 4 Juden, darunter Frauen und Kinder vergast worden seien (Verbrechen, strafbar nach §§211, 49, 73 StGB).

Die Hauptverhandlung hat den Schuldvorwurf nicht bestätigt.

 

Der Angeklagte P. war im Januar 1943 nur KdS-Dienststelle nach Kiew gekommen und als Sachbearbeiter für das Kassen- und Rechnungswesen in Abteilung II tätig. Im April 1943 war er erstmals bei einer Exekution anwesend, bei der er als Exekutionsleiter eingewiesen werden sollte. Die Anordnung, Vorbereitung und Ablauf der Erschiessung verliefen wie bereits unter D.I.4.c. dargestellt. Diese Exekution ist jedoch nicht Gegenstand des Eröffnungsbeschlusses.

Im August 1943 war P. dann wiederum als Exekutionsleiter eingeteilt worden. Die Einteilung geschah auf dieselbe Weise wie zuvor. Aus dem Befehl war für P. nicht ersichtlich, dass es sich dieses Mal nicht wieder um eine Erschiessung, sondern um eine Vergasung handeln würde. P. begab sich sodann am frühen Morgen wiederum zum Gefängnishof, um, wie er meinte, mit den dort verladenen Häftlingen zur Erschiessungsstelle zu fahren. Als er beim Gefängnishof eintraf, wurden gerade noch die letzten Gefangenen in den Gaswagen, den P. als solchen nicht erkannte, verladen; darunter befand sich auch eine Frau, und beim Blick in den Gaswagen erkannte er auch noch eine weitere Frau mit 2 kleinen Kindern von ca. 1-2 und 4-5 Jahren. Der Fahrer schloss den Wagen und fuhr ihn bis zum Gefängnishoftor, wo er ihn anhielt. P. dagegen hatte den vor dem Gefängnishof auf der Strasse stehenden PKW bestiegen, um mit ihm dann, wie bei der Exekution im April, hinter dem Gefangenenwagen her zur Erschiessungsstelle zu fahren. Der Gefangenenwagen kam jedoch wider P.s Erwarten nicht. Nachdem so etwa 10-15 Minuten vergangen waren, verliess P. seinen PKW und ging auf den Gefängnishof, um nach der Ursache für das Ausbleiben des Wagens zu sehen. Als er dort den Kraftfahrer danach fragte, sagte ihm dieser, dass die Häftlinge jetzt vergast seien. Der Kraftfahrer, der nicht mehr ermittelt werden konnte, hatte, nachdem er die Wagentüre geschlossen und den LKW zum Gefängnishoftor gefahren hatte, den Motor einige Minuten auf Hochtouren laufen lassen und dabei die Auspuffgase in das Wageninnere geleitet. Erst jetzt war dem Angeklagten P. offenbar geworden, dass die Sonderbehandlung dieses Mal durch Vergasung, nicht durch Erschiessen geschah. Die Aktion nahm hernach den üblichen Fortgang, wie oben unter D.I.2. geschildert.

 

Das ist die unwiderlegte Einlassung des Angeklagten P. in der Hauptverhandlung. Auch bei seiner ersten Vernehmung vor der Kripo (20.11.1959, IX, 177/179) hat P. beteuert, von der Vergasung erst auf dem Gefängnishof erfahren zu haben, als der Motor bereits auf hohen Touren lief. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er nicht die geringste Ahnung davon gehabt, dass bei der Dienststelle auch vergast werde. Anders hingegen kann seine Einlassung vor dem Untersuchungsrichter verstanden werden (19.7.1960, E, 139/41), wo es u.a. heisst: "Ich habe mir erzählen lassen, dass, nachdem die Türen