Justiz und NS-Verbrechen Bd.XVIII

Verfahren Nr.523 - 546 (1961 - 1963)

Prof. Dr. C.F. Rüter, Dr. D.W. de Mildt
© Stichting voor wetenschappelijk onderzoek van nationaal-socialistische misdrijven, Amsterdam

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Lfd.Nr.526a LG Karlsruhe 20.12.1961 JuNSV Bd.XVIII S.69

 

Lfd.Nr.526a    LG Karlsruhe    20.12.1961    JuNSV Bd.XVIII S.110

 

bb. Alle drei Angeklagten haben erkannt, dass die Tötung sämtlicher Juden ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht nur aus rassischen Gründen geschah. Sie haben damit gewusst, dass die Haupttäter, als sie die Tötung aller Juden befahlen, aus niedrigen Beweggründen handelten.

cc. Sie waren sich auch bewusst, dass die Haupttäter grausam handelten. Sie haben die Grausamkeiten bei den Exekutionen - bei Vergasungen wie bei Erschiessungen - selbst miterlebt. Es war ihnen auch bekannt, dass die Haupttäter bei dem zahlenmässigen Umfange der von ihnen befohlenen Exekutionen mit solchen Grausamkeiten rechneten und sie auch billigten.

 

c. Die Rechtswidrigkeit der Tötungen der Juden liegt bei den Angeklagten ebenso auf der Hand wie bei den Haupttätern. Auch bei ihnen wird sie nicht durch Rechtfertigungsgründe ausgeschlossen.

Staatsnotwehr (§53 StGB) und übergesetzlicher Notstand bzw. Staatsnotstand (§54 StGB) scheiden aus den bereits unter III.1.b. bei den Haupttätern dargelegten Gründen aus.

 

d. Die Angeklagten haben auch schuldhaft gehandelt. Sie haben die Haupttat mit ihren besonderen Merkmalen - Überlegung, niedrige Beweggründe, grausam -, wie ausgeführt, gekannt und deren Unterstützung und Förderung auch gewollt. Sie haben somit vorsätzlich Beihilfe geleistet.

Sie haben als Gehilfen gehandelt. Ihr Tatbeitrag war von Gehilfen-, nicht von Täterwillen bestimmt. Das wird vor allem daraus deutlich, dass sie alle auf Befehl gehandelt haben.

Nach §47 MStGB trifft aber den gehorchenden Untergebenen grundsätzlich die Strafe des Teilnehmers. Dadurch wird freilich dessen Mittäterschaft nicht ausgeschlossen, sofern auch er das Verbrechen als eigenes will. Ein Anzeichen dafür wird immer dann vorliegen, wenn ein Angeklagter mit eigener Hand den Tatbestand verwirklicht, hier also, um die Grausamkeit und die niedrigen Beweggründe wissend, selbst getötet hat. Die straffe militärische Befehlsgewalt, die Erziehung auch gerade der SS-Angehörigen, Befehle widerspruchslos zu befolgen, und die meist nicht nachweisbare oder auch fehlende Belehrung über die Grenzen dieser Pflicht haben jedoch dazu führen können, dass die Angeklagten als Untergebene der Haupttäter als deren Werkzeug die strafbaren Handlungen ausführten und ihre Einstellung dazu nicht als Täterwille zu beurteilen ist (BGHSt. 8, 393 ff.; vom 13.2.1951 in NJW 1951, 323). Die Angeklagten hatten ihren Willen dem der Befehlsgeber völlig untergeordnet, und es ist deutlich oder wenigstens nicht auszuschliessen, dass der einzelne Angeklagte ohne diesen Befehl von sich aus diesen Erfolg nicht herbeigeführt haben würde. Sie sind deshalb Gehilfen, nicht aber Täter.

 

e. Die Schuld der Angeklagten wird nicht durch Entschuldigungsgründe ausgeschlossen.

aa. Der Entschuldigungsgrund von §47 Militärstrafgesetzbuch kann nicht durchgreifen. Wohl haben die Angeklagten auf Befehl in Dienstsachen gehandelt. Als Angehörige der SS, die im Rahmen eines Verbandes des SD und der Sicherheitspolizei eingesetzt waren, unterstanden die Angeklagten einer Sondergerichtsbarkeit (VO über eine Sondergerichtsbarkeit in Strafsachen für Angehörige der SS und für die Angehörigen der Polizeiverbände bei besonderem Einsatz vom 17.10.1939 - RGBl. I S.2107 - i.V. mit dem Erlass des Reichsführers SS und Chef der deutschen Polizei vom 9.4.1940 - XXI RA III). Nach dem zuletzt genannten Erlass vom 9.4.1940 hat die gesamte Sicherheitspolizei einschliesslich des SD als in besonderem Einsatz befindlich gegolten. Die Unterstellung unter diese Sondergerichtsbarkeit hat für den genannten Personenkreis die sinngemässe Anwendung der Vorschriften des Militärstrafgesetzbuches und der Militärstrafgerichtsordnung sowie die Zuständigkeit der SS-Gerichte bzw. der SS- und Polizeigerichte zur Folge gehabt.

Der grundsätzliche Vernichtungsbefehl der Haupttäter wie auch der mündliche Befehl des SS-Brigadeführers Dr. Stahlecker an den Angeklagten E. sowie dessen entsprechende Befehle und Anordnungen an seine Untergebenen - hier an die Angeklagten Dr. Schumacher und Brünnert - haben daher militärischen Befehlen gleichgestanden. Darum findet §47 Militärstrafgesetzbuch (MStGB) auch auf die Angeklagten Anwendung. Danach ist der befehlende Vorgesetzte allein verantwortlich, wenn durch die Ausführung